Die rasante Rutschpartie durch die 63 Meter lange Röhre der Wasserrutsche hat Folgen. Klitschenass die Bermuda-Shorts, das T-Shirt trieft, doch die Laune ist großartig und auch die Konturen, die sich unterm feuchten Textil allzu deutlich abzeichnen, verheißen Großes. Die Band auf der Bühne heizt gleich neben dem Aquapark mit karibischen Klängen die Stimmung auf dem Deck des Kreuzfahrtschiffes ein. Nach wenigen Minuten sind die Klamotten des bärigen US-Amerikaners von der Sonne getrocknet. Die Party kann beginnen.
Solo-Cruiser: “Die ersten zwei Tage waren ungewohnt”
Bereits am frühen Nachmittag tanzen viele Passagiere Samba auf der Norwegian Epic. Gereifte Eheleute, junge Liebespärchen und Singles in Flirtlaune amüsieren sich prächtig unter der Flagge der Bahamas, die winzig erscheint zwischen den beiden riesigen Schornsteinen des Diesel betriebenen Ozean-Giganten. In Deutschland stehen die Zeichen auf Advent, vor der Küste Mexikos hingegen brennt im Dezember die Sonne: “Die ersten zwei Tage waren ungewohnt”, erzählt der Amerikaner. Steves erster Urlaub seit Jahren, den der Neu-Single alleine verbringt, begann schleppend. “Man lernt aber schnell nette Leute kennen”, sagt der Bermuda-Shortsträger, schlürft seinen rot schimmernden Cocktail und wippt mit den Hüften: “Man muss sich aber was trauen. Nicht jedem Mann steht ‚gay’ auf dem Hintern tätowiert.”
Kein Single-Zuschlag für Solo-Cruiser
Steve, der sonst in der amerikanischen Provinz bei Pittsburgh in Pennsylvania lebt, hat sich in eine Kabine der Studio-Lounges des brandneuen Kreuzfahrt-Riesen eingebucht. Praktisch für Alleinreisende, da der Single-Zuschlag für die regulären, auf Paare oder Familien zugeschnittenen Kabinen entfällt. Die US-amerikanische Kreuzfahrtreederei NCL Corporation Ltd. mit Sitz in Miami nennt den Single einen Solo-Kreuzfahrer. Eigens für diese Zielgruppe wurden die 128 modernen Studios der Norwegian Epic konzipiert und kalkuliert. Ab 749 Euro genießen Alleinreisende die kleinen aber komfortablen Unterkünfte auf einer 7-Nächte-Fahrt durch die westliche Karibik ab Florida. “Historisch gesehen hat die Kreuzfahrtindustrie diejenigen, die gern allein reisen, lange vernachlässigt, sagt Kevin Sheehan, Chief Executive Officer NCL.
Vorfreude auf Landgang zur Insel Cozumel
Mit dem neuen Angebot möchte die Reederei das ändern und beweist Stil. Mit einer Schlüsselkarte erhalten Alleinreisende Zugang zur zweistöckigen Studio-Lounge auf Deck 10 und 11 des 329 Meter langen und 40 Meter breiten Stahl-Kolosses. Es eröffnet sich eine durchgestylte eigene Welt. Das klare futuristische Design kommt gut an bei den allein reisenden Passagieren, die sich nach anfänglich vorsichtigem Beschnuppern in behaglicher Atmosphäre beim Plaudern kennen lernen. Bei einer Tasse Kaffee freuen sich Amerikaner und Skandinavier gemeinsam auf den Landgang auf die Insel Cozumel.
Gemütlich in der Single-Lounge
Steve ist mittendrin und zeigt sich erstaunt, wie gemütlich sein gerade einmal neun Quadratmeter großes Single-Refugium ist: “Jeder Zentimeter wurde ideal genutzt, eng finde ich es nicht”, urteilt der üppig gebaute Kreuzfahrt-Solist. Bequemes Doppelbett, separates Bad mit Dusche, Ablage für seinen Laptop, Schreibtisch und Flachbildschim-TV, alles schmiegt sich ein in das optisch reizvolle Ambiente der Kabine.
Rose heißt eigentlich Rosenildo
Doch der große Spaß wartet außerhalb der Single-Box, wo weitere 4.200 Passagiere die zehn Meter hohe Kletterwand erklimmen, es sich in den Whirlpools gut gehen lassen, das erstklassige Entertainment-Programm genießen oder leicht beschwipst die Riesenrutsche hinuntersausen. Zusammen mit neuen Freunden amüsiert sich auch der schwule Ami: “Ich habe auch schon andere Schwestern ausgemacht”, erzählt er und verrät seinen Trick: “Amerikaner tragen meistens Shorts, wer eine Brief-Badehose trägt, ist schwul oder bisexuell – allermeistens. Außer Rose…” Rose heißt eigentlich Rosenildo, sorgt ganz oben am Start der Wasserrutsche für Ordnung und freut sich immer wie ein kleines Kind, wenn Steve erneut die Stufen zu ihm nach oben schreitet: “Rose ist süß, aber zu feminin”, urteilt der Bärtige über seinen Fan.
Muskulöse Russen: “Die gehören zum Artistenteam”
Steve schaut – statt dem stets aufgekratzten Jüngling aus Brasilien – lieber den vermeintlichen Heteros auf den Hintern. “Ich mag Deutsche”, lächelt er frech und meint mit deutsch alle Europäer an Bord, die nicht griechisch-romanisch wirken. Dazu zählen auch die beiden Muskel bepackten Russen, die sich am Rande des großzügigen Pools in einem der Whirlpools entspannen. “Die gehören zum Artistenteam”, kann Steve versichern, macht große Augen und schwärmt vom hervorragendem Entertainment-Programm auf der Norwegian Epic.
Abends dinieren die Modehuschen bei Kerzenschein
Doch nicht allein die vielen Künstler, Akrobaten, Kostümbildner und Musiker bestimmen die Homo-Quote an Bord. Schwule Männer im Partnerlook – auch die gibt es auf dem erfolgreichen Mainstream-Dampfer- oder recht auffällige Mode-Huschen dinieren abends bei Kerzenlicht in einem der vielen Themenrestaurants. Andere goutieren die Shows und feiern nachts auf den In- und Outdoorpartys inmitten der heiteren Hetero-Meute.
Der Schwule lästert über die Matrone mit dem hässlichen Badeanzug
Auf eine rein schwule Kreuzfahrt hat Steve keine Lust, obwohl dort weitaus mehr eindeutige Kontakte möglich sind: “Ich mag kein House, besonders nicht rund um die Uhr…”, wiegelt der Ein-Meter-Neunzig-Mann ab. Der Solo-Cruiser gesteht, bislang nicht einen Tag ohne Sex auf hoher See verbracht zu haben. “Sogar schon hier oben auf dem Deck”, plaudert der 40-Jährige aus und findet es besonders heiß, dass sein Quicky der Ehemann von der Matrone mit dem hässlichen Badeanzug am Beckenrand sei: “Aber er grüßt mich tagsüber nicht,” macht Steve sich ein wenig lustig, um im nächsten Moment über seine prüden Landsleute zu lästern.
Die amerikanischen Papis und Mamis zeigen kaum Haut
Regelrecht obskure Ausmaße nimmt die von Steve eher als besonderen Kitzel empfundene Doppelmoral in der Panorama-Sauna des schwimmenden Urlauber-Resorts an. Zwar ist der Zugang in den eigentlich als Nacktbereich gekennzeichneten Saunabereich ohnehin erst Personen ab 18 Jahren gestattet, doch die amerikanischen Papis und Mamis zeigen kaum Haut, tragen stattdessen in der Finnen-Sauna dicke Bademäntel. Falls der sich löst, schützt das darunter um die Leiber gebundene Handtuch die Genitalien vor scheinbar ungewollten Blicken. “Leider passen sich selbst die Deutschen an”, beschwert sich Steve unüberhörbar über die urigen Sitten in der Sonnen gefluteten Sauna, die dank der großen Panzerglasscheibe allerdings den Blick auf den weiten Ozean freigibt.
Besonders hetero wirkende Typen beim Oral-Verkehr
Seine tägliche Portion Sex besorgt sich Steve in der Männer-Umkleidekabine des luxuriösen Spa-Areals. Die verfügt nämlich über eine eigene, nur für Männer zugängliche Dampfsauna. Ein etwas zu langer Blick in die Augen des Auserwählten oder auffordernd am Türrahmen vorbei beim Begehen des Steams – die international verständlichen Codes funktionieren auch auf der vermeintlichen Hetero-Kreuzfahrt. Zudem hat Steve erforscht, dass es meistens die besonders hetero wirkenden Typen seien, die beim Oralsex in die Knie gingen. “Wir waren schon zu neunt in Action”, rechnet der Saunabesucher mit Absichten seinen bisherigen Rekord an Bord vor. Sein nächstes Etappenziel ist bereits anvisiert: “Ich möchte unbedingt noch jemanden in meine Single-Kabine abschleppen”, sagt Steve, greift sich auffällig provokant in seinen Schritt. Sein Gegenüber, ein Deutscher, stimmt sofort zu…
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