Böse Autokratie, gute Monarchie? Es geht um Doppelmoral, soweit man bei diesem offensichtlichen Verrat noch von Moral reden kann. Also reden wir besser von doppelten Standards, die seitens der USA in Bezug auf Saudi-Arabien und Russland angewendet werden. Russland gilt als Konkurrent der USA. Ein schwaches Russland, so das Kalkül, stärkt Amerika. Saudi-Arabien gilt hingegen als williger Verbündeter im Mittleren Osten gegen die Mittelmächte Iran und Syrien. Und das, obwohl der ölreiche arabische Wüstenstaat keines der US-amerikanischen Werte wie Freiheit, Demokratie und Religionsfreiheit teilt. Soweit zum geostrategischen Pokerspiel. Nun zum Skandal: Die USA verweigern dem schwulen Diplomaten Ali Ahmad Assiri aus Saudi-Arabien Asyl im gelobten Land Amerika. Bis zu seiner fristlosen Kündigung war er Mitarbeiter des saudischen Konsulats in Los Angeles. Gekündigt wurde der homosexuelle Mann vom saudischen Unrechtsregime aufgrund seiner sexuellen Identität. Er soll die USA verlassen und zurück nach Saudi-Arabien geschickt werden. Weil die USA es sich jedoch nicht mit der saudischen Monarchie verderben möchte, wird Ali seit vier Jahren ein dauerhafter USA-Aufenthalt und damit der Schutz vor brutaler Verfolgung verwehrt. Ungeachtet der schrecklichen Tatsache, dass in Saudi-Arabien die Todesstrafe für Homosexualität verhängt und vollzogen wird, muss Ali tagtäglich bangen, nach Saudi-Arabien ausgewiesen zu werden.
Scheinheiligkeit: Vorverurteilungen mit zweierlei Maß
Szenenwechsel: In Russland ist ein fragwürdiges Gesetz in Kraft, welches die Aufklärung von Minderjährigen über Homosexualität in undemokratischer Form reguliert. Russland wird dafür auch von schwulen Meinungsführern aus dem “Westen” als Diktatur verfemt. Das ist jedoch falsch, Russland hat eine autoritäre Tradition, vom Zarenreich zum Stalinismus weist der historische Strang. Doch Russland hat sich selbst befreit, ist heute eine junge Demokratie. Defizite sind zweifelsfrei vorhanden. Doch die finden sich auch im Zweiparteiensystem, der von Markt-Lobbyisten manipulierten USA. Kurzum: Die USA und auch die EU handeln scheinheilig, agieren mit zweierlei Maß. Was in Saudi-Arabien an Unrecht passiert, wird beschönigt, was in Russland vonstatten geht, im Wettrüsten der Worte maßlos übertrieben dargestellt. Russland wird dämonisiert. Das sabotiert mit Kalkül konstruktive Kritik. Strategiespiele und üble Propaganda werden auf den Rücken von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans*-Personen ausgetragen. Falsche Freunde hofiert der Westen während die Propagandamaschinerie Tatsachen verzerrt, Feindbilder kreiert und munter ausstaffiert: Russland sei keine Demokratie, lassen uns die Mainstream-Medien wissen, vielmehr sei das kalte Russland eine stete Bedrohung, ein wild gewordener Bär, der von einem unberechenbaren Machtmenschen Putin unterdrückt und zu Eroberungsfeldzügen angestachelt würde. Dabei gilt zu bedenken: Mit erfundenen Gräuelgeschichten hat bereits das alte Rom die Vernichtung Karthagos legitimiert. Anbetracht der Krim-Krise, in der allein die russische Föderation als Aggressor denunziert wird, ist die Verurteilung mit zweierlei Maß brandgefährlich. Wer Frieden möchte hetzt nicht, sondern versucht den Dialog aufrecht zu erhalten. Wer Menschenrechte durchsetzen möchte, darf nicht aus geostrategischen Motiven handeln, sondern ist dem Frieden verpflichtet.
Das Gespenst der Angst als Waffe: Die, die nichts Gutes im Schilde führen
Vor allem sollten sich LSBTIQ keine Angst einjagen lassen. Die Angst war schon immer eine taktische Waffe derjenigen, die nichts Gutes im Schilde führen. Fakt ist: Weltweit verbessert sich die gesellschaftliche Situation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans*-Personen: Selbst im prüden Nordamerika dürfen Menschen mittlerweile einen Partner gleichen Geschlechts heiraten. In nur noch zwölf US-Bundesstaaten werden weiterhin Formen der Sexualität, jenseits der heterosexuellen Partnerschaft, als Sodomie verunglimpft und unter Strafe gestellt. Auch in Südamerika sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften in vielen Staaten anerkannt. In Asien verbessert sich die Situation rasant, auch in Afrika begehren LSBTIQ und Freunde auf. Und in Russland hat sich die queere Bewegung längst aus der Subkultur hinaus auf die Straße getraut. Illegal ist Homosexualität dort seit Jahrzehnten nicht mehr. Eine “weltweite Mobilmachung der LSBTIQ-feindlichen Kräfte” wie es manche Berufshomos und verängstigte Privatmenschen heraus posaunen, entpuppt sich bei näherer Betrachtung schlicht als schieres Hirngespinst. Im Gegenteil: Nicht nur in russischen Metropolen wie Moskau und Sankt Petersburg gedeiht die schwule Club- und Kultur-Szene.
Historisch und politisch haltlose Putin-Hitler-Vergleiche
Schreckensmeldungen und Horror-Szenarien sind bloß gut für die Schlechten. Imaginäre Gespenster helfen, die Angst zu schüren und auch fürderhin zu verbreiten. Online-Schund-Postillen wie Gay Star News bringen die aufgebauschten furchterregenden Schlagzeilen Klicks ein. Horror-Headlines erhöhen die Zugriffszahlen und damit die Werbeeinnahmen. Doch auch die Berichterstattung seriöser Medien läuft Gefahr, sich von Machtstrategen einspannen zu lassen, wenn einseitige Berichterstattung sich in einem neu entfachten Ost-West-Konflikt vergaloppiert. Die einen stellen Fragen nach einem Ausschluss Russlands aus dem ESC-Fernsehverbund der Eurovision, die anderen leugnen, dass in der Ukraine Faschisten erstarken und Homophobie auch ohne russische Krim-Intervention längst weit verbreitet ist. Tatsache ist, dass die Falken in der Nato existieren, die Russland als das Urböse stilisieren, um den militärischen Machtbereich der USA und EU mit Zustimmung der Bevölkerung gen Osten auszuweiten. Die von weißen, schwulen Mittelschichtlern dominierten, neokonservativen Aktions-Gruppen wie “Enough is Enough” ordnen sich ihrer Propaganda unter und bemühen indes geschichtlich und politisch haltlose Putin-Hitler-Vergleiche. Sogenannte Menschenrechtsaktivisten helfen mit, Lügen- und Gräuelgeschichten zu verbreiten und vergessen dabei, die Obrigkeit im eigenen Land für ihre homophob motivierte Politik zu kritisieren. Derweil schwadronieren Wortakrobaten wie Johannes Kram vom Nollendorfblog von einem Krieg, den Russland den Schwulen erklärt hätte. Alarmismus ist jedoch kontraproduktiv. Das reißt Brücken ein, anstatt sie dort zu bauen, wo es bitter nötig wäre. Gerade auch im Sinne der russischen Queers, die von der mit Putin paktierenden russisch-orthodoxen Kirche, aber auch von in Russland missionierenden amerikanischen Evangelikalen bedrängt werden.
Zur Erinnerung: Zwei Weltkriege gingen vom deutschen Boden aus
Ein Tipp, insbesondere an meine deutschen Landsleute: Rüstet mal ab, seid nicht so überheblich und arrogant. Sorgt lieber dafür, das Ungerechtigkeit dort abgebaut wird, wo ihr selber lebt. Der Fingerzeig von deutscher Seite aufs böse Ausland ist chauvinistisch, kommt all zu oft rassistisch getränkt daher und schafft lediglich Unfrieden. Reist ins Ausland, lernt die Menschen statt Hotelburgen kennen. Macht euch die Welt zum Freund, nicht zum Feind. Wendet eure Erkenntnisse daheim an, anstatt anderen Völkern oberlehrerhaft die Leviten lesen zu wollen. Zur Erinnerung: Zwei Weltkriege gingen vom deutschen Boden aus. Denkt global, handelt lokal und seid friedlich. Das hilft.
P.S: Auch das gehört zur Wahrheit: Blanker Hass seitens russisch-ukrainischer Demonstranten auf USA entlädt sich gegen amerikanische Journalisten. Der Reporter berichtet über den Angriff auf Vice.
“Frieden und Freiheit sind auch im Inneren wichtig, aber da in erster Linie für die Normalen, nicht für perverse Minderheiten, Terroristen und Randgruppen.”
Carl-Dieter Spranger, in: Erdinger Neueste Nachrichten, 20. Januar 1983
http://www.2mecs.de/wp/2014/02/carl-dieter-spranger/
Schon wieder….kann man bald nicht mehr hören! Es gibt nirgendwo das perfekte Russland, UDeutschland, Europa,Amerika…und es wird überall gegen Ungerechtigkeit gekämpft. Außerdem ist die USA nicht die USA , irgendwie begreift man das hier nicht.In Deutschland wird die USA immer als Land dargestellt. Es ist aber ein Staatenbund, so wie es auch fast überall verstanden wird. Trotzdem bleibt die USA das kleinere Übel zu Russland.
Derart schlicht betrachtet hat die USA “angefangen”. Das Adoptionsverbot war lediglich eine natürlich falsche Reaktion auf die massive Einmischung in die russ. Innenpolitik durch haufenweise NGOs, die massiv von rechtsrekationären Gruppen aus den USA finanziell unterstützt werden. Das Interesse der USA an ein schwaches Russland ist nicht von der Hand zu weisen. Aber darum geht’s nicht, sondern um die Tatsache, dass Menschenrechte als Feigenblatt missbraucht werden,um knallharte Machtinteressen durchzusetzen, die nicht dem Wohl der Menschheit, sondern den Interessen von Wenigen dienen. Zur Info: Auch Russland ist eine Föderation verschiedener Teilrepubliken und wie in USA ist Russland dennoch ein Staat, der als ein Staat in der UN sitzt. zum Kuba-Embargo nur soviel:
http://derstandard.at/1381370320355/Nur-USA-und-Israel-gegen-Aufhebung-des-Kuba-Embargos
Vielen Dank für die Worte, ein sehr lesenswerter Beitrag! Die einseitige Berichterstattung und die doppelten Standartds nehmen zunehmend auch in Deutschland beängstigende Formen. War die letzten Jahrzehnte der Islamist das Feindbild hat sich das praktisch in Nacht und Nebel nach Russland gedreht. Das ist schon mekwürdig welche Mechanismen da greifen und man kann eigentlich nur anregen, zu fragen, wem das wohl nützt.
Wer aber so etwas behauptet ” Trotzdem bleibt die USA das kleinere Übel zu Russland”, der hat ja nun mal gar nichts begriffen. Eine verlogenere Politik als die der USA gibt es kaum. Sie intervenieren weltweit, stürzen Regierungen nach ihren gut dünken und setzen gefällige Strohmänner an deren Spitzen, sie führen subtile Wirtschafts- und Propagandakriege und nennen das Demokratie usw. usw. Die Nato rückt jahrelang immer weiter an Russlands Grenzen und meint er solle das als Freundschaftsdienst sehen. Also ehrlich, ich bin kein Putin Freund, aber alles was für die USA selbstverständlich ist, hat Putin noch nie gemacht. Ich finde dieser Vergleich spricht Bände. und da sind NSA, TTIP
gar nicht berücksichtigt. http://www.blog.de/srv/media/media_popup_large.php?item_ID=7719725
Interessante Tabelle, obwohl ich sehr wohl auch freundschaftliche Beziehungen zu Amerika wünsche, aber dazu gehört auch, das man ehrlich und aufrichtig miteinander umgeht.
Ich finde, dass hier Umstände und Aktionen ins falsche Licht grückt werden. Es werden LGBTI – Aktivisten als weiße neokonservative Mittelschichtler betitelt und ein paar Zeilen später ruft der Autor dazu auf, im eigenen Land abzurüsten.
Ich habe bei einigen Aktionen und Mahnwachen mitgemacht und bin eines mit Sicherheit nicht, neokonservativ.
Ich schaue sehr genau hin, wem ich mich anschließe und kann sicher sagen, dass sich Enough is Enough auch gegen Missstände im eigenen Land engagiert.
Ich empfehle, Wissen, Nachrichten und Wahrheiten im eigenen Land korrekt zu verbreiten und nicht vom Tellerrand “zu kotzen”.