Während meines Indienbesuches im November 2011 warteten mein Neffe Andreas und ich zusammen mit anderen Reisenden (“Traveller”) an einer Busstation in Udaipur. Um uns herum lauerten mehr als ein Dutzend Menschen darauf, nur ein bisschen von dem abzubekommen, was die ungeduldig wartenden Touristen aus dem Westen mit sich führten. Ein paar Münzen, etwas zu Essen. Nachdem ich die Hälfte meiner Kekse, Bananen und meines Süßmilch-Toastbrots der Marke “Star” an bettelarme Kleinkinder, verzweifelt lächelnde Jugendliche und jammernde Erwachsene los geworden bin, hab’ ich den Rest davon in meine Tasche verstaut. Brauchte ja noch was für die bevorstehende Zwölfstunden-Fahrt durch Rajasthan nach Agra: Eine der Europäerinnnen, die mir gegenüber auf der Bank saß, merkte dazu an, dass sie auf ihrer bereits seit mehr als zwei Monaten andauernden Indien-Reise “gelernt” habe, einfach wegzusehen, angesichts des vielen Leids, das ihr allerorts begegnete: “Man kann schließlich nicht alle Menschen retten.” Erwiderte, dass sich jeder Einzelne, jedes Mal neu entscheiden muss, ob man wegschaut oder eben nicht. Dann schämte ich mich dafür, meine Fressalien vor den “Bettlern” versteckt zu haben, anstatt alles herzugeben.
Eine Scheibe Brot lindert bereits die Schmerzen
Wusste schließlich, dass ich unterwegs schon neuen Proviant einkaufen könnte. Geld dafür hatte ich genug dabei. Die sehr alt wirkende Mutter mit ihrem Kleinkind oder das zirka 11-jährige Mädchen, die zehn Meter weiter, auf dem Boden im Staub ausharrte, besaßen keine Rupien-Noten, sie hatten Hunger. Lediglich eine Scheibe Brot lindert bereits die Schmerzen, die ein hungriger, leerer Magen bei unterernährten Menschen verursacht. Deshalb bin ich erneut von meiner Bank aufgestanden und verteilte endlich alles, was meine Tasche noch an Essbaren hergab.
Vielleicht nicht alle Menschen, aber sich selbst kann jeder retten
Falls ihnen der Beitrag gefallen oder bloß geärgert hat, können sie gerne ein paar Groschen hinterlassen. Paypal me! Danke. paypal.me/RobertNiedermeier
Bin kein Christ oder so, absolut überzeugter Atheist (der deshalb Katholik ist – es ist kompliziert!) sogar, doch ich unterstreiche, was später im Bus ein junger Israeli zu mir sagte: “Sobald mir ein Mensch, der mich um etwas bittet, nur kurz in die Augen blickt, dann kann ich das einfach nicht ignorieren.” Der 22-jährige Aviv, der ebenfalls das Taj Mahal in Agra besuchen möchte, deutet auf sein Herz unter seiner Brust und fügt hinzu: “Auch wenn ich nur einen einzelnen Menschen helfen kann, in diesem Moment rette ich auch mein eigenes Leben – die Menschlichkeit in mir.” Vielleicht nehmen sich einige der vielen Weihnachtstouristen die Worte von Aviv zu Herzen. Es hilft!