Weiße Segeln flattern im heißen Wüstenwind und die Schaufeln des historischen Raddampfers „SS Karim“ durchpflügen den Nilstrom. Im November 2012 ist es wieder soweit: Der amerikanische Reiseveranstalter Hanns Ebensten organisiert eine Nilkreuzfahrt von Luxor nach Assuan. An Bord genießen 25 vornehmlich männliche Queers die Aussicht. Das schöne Schiff wird eigens für die Tour gechartert: Es ist eine geschlossene Gesellschaft, die lesbischen und schwulen Touristen bleiben unter sich.
Jochen Volland von Teddy-Travel mahnt zur Vorsicht
Aus gutem Grund: „In Ägypten muss man sich als Schwuler zurücknehmen, nur hinter verschlossenen Türen können Zärtlichkeiten ausgetauscht werden“ sagt der deutsche Reiseveranstalter Jochen Volland. Der Kölner ist seit 30 Jahren in der schwulen Reisebranche tätig, kennt die Gruppenreiseangebote internationaler Veranstalter, die mit dem Label „gay“ um Kundschaft buhlen: „Lediglich die Gruppe an sich, ist dann gay.“ Wenn Jochen in seinem Reisebüro „Teddy Travel“ schwule Ägypten-Reisende berät, macht er sie stets darauf aufmerksam, dass eine Ägypten-Reise, kein schwuler Trip sei. „Baden oder Schnorcheln am Roten Meer ist schön, aber wer eine offene Szene am Urlaubsort wünscht, ist dort falsch.“ Wer will, könne durchaus Sex mit Männern haben: „Man wird sogar offen angeflirtet,“ hat Jochen selbst erfahren und das beschränke sich keinesfalls auf Stricher in den Touristenhochburgen. Aber Jochen mahnt: „Vorsicht!“
Homophobie: Der arabische Frühling scheint gescheitert
In der Tat: Lesben gelten im geschichtsträchtigen nordafrikanischen Reiseland als nicht existent und Schwule werden restriktiv verfolgt. „Daran hat auch der „arabische Frühling“ nichts geändert“, sagt Jürgen Bieniek, der das Reiseinfoportal gaysontour.com betreibt. Sicherlich könne ein schwuler Pauschaltourist unbehelligt in Luxor oder Hurghada urlauben, wenn man unauffällig agiere. „Aber muss man sich das als selbstbewusster Schwuler wirklich antun?“, fragt Jürgen und meint: „Nein, denn wer eine Luxuskreuzfahrt auf dem Nil bucht, unterstützt damit immer auch ein politisches System, das Homos der Verachtung und Verfolgung preisgibt.“
Moralvorstellungen: Sexualität ist in Ägypten ein Tabuthema
Plantschen im Roten Meer und auf Kamele reiten: Das wollte sich Thee Promsuk nicht entgehen lassen. Zusammen mit seinem in Bangkok beheimateten deutschen Partner Micha verbringt der Thai im Dezember 2011 einen Ägypten-Urlaub: „Das war toll“, schwärmt Thee. Aus Respekt gegenüber den kulturellen Geflogenheiten, hätte er gern darauf verzichtet, sich offen als Schwuler zu präsentieren. Der reiseerfahrene Thai gibt zu, eine Art „Undercover-Strategie“ gefolgt zu sein: „Hab’ schon versucht, mich eher männlich zu geben.“ Man müsse sich halt auf die Moralvorstellungen einlassen und Sexualität ist in Ägypten ein Tabuthema. Thee ist sich sicher: „Von Kennern wurden wir letztendlich doch als schwules Pärchen ausgemacht. Probleme gab es keine.“ Im Gegenteil: „Die stark beharrten Ägypter mögen keine Arroganz, sind sehr gesprächig und viel direkter als Thais, das mag ich.“
Trotzdem: Ägypten ist ein faszinierendes Reiseland
Dass Ägypten ein faszinierendes Reiseland ist, unterstreicht auch Evelyn Baader. Die lesbische Geschäftsführerin leitet zusammen mit Gründerin Eva Veith das Reiseunternehmen „Frauen Unterwegs Frauen Reisen GmbH “.Über Weihnachten und Neujahr bereist sie vor wenigen Monaten das Reich der alten Pharaonen in einer Gruppe. Mit einem traditionellen Flussboot, einer Dahabeya, geht die Fahrt von Luxor bis Assuan und gemeinsam radeln sie auf Ausflügen durch malerische Palmenhaine, besichtigen antike Stätten und kehren in von Frauen geführten Gasthäusern ein. Als lesbische Frau hat Evelyn dennoch eine klare Haltung zum ägyptischen Gender-Problem: „Die gesellschaftliche Stellung der Ägypterinnen – Heteras und verdeckt lebende Lesben – muss sich verbessern. Als Ausländerin kann ich zwar die berühmten Stätten besichtigen, aber nicht wir Touristinnen, sondern die ägyptischen Frauen sind die Hauptpersonen.“ Evelyn und Eva stehen mit ägyptischen Frauenorganisationen in Verbindung, deshalb treffen die Reise-Teilnehmerinnen auch Ägypterinnen während ihrer Reise: „Aber offen lebende Lesben kennen wir nicht, wenngleich wir wissen, dass es viele Lesben gibt.“ Trotz vieler Missstände in Ägypten, empfiehlt die Reiseveranstalterin das Land an Mittel- und Roten Meer: „Explizit für Lesben würde ich das nicht unterstreichen, denn wir tauchen in Ägypten offiziell gar nicht auf“, schränkt Evelyn ein.
Doppelmoral: Die Sonnen- und Schattenseiten Ägyptens
Ähnlich, aus schwuler Perspektive, sieht das Fotograf Jörg Meier: „Wenn man Händchen haltende Männer sieht, zeugt das von Freundschaft, nicht von schwuler Liebe“, erklärt Jörg, der 2010 sechs Monate am Nil verbringt. Herausgekommen ist dabei seine fotografische Diplomarbeit „Ruhe im Sturm – Hommage an eine fremde Stadt“ und die Einsicht, dass Doppelmoral den Alltag bestimmt. Fragt man Jörg, was er an Ägypten findet, klingt die Antwort trotzdem wie eine Liebeserklärung: „Ich mag wie die Menschen schauen, sich so präsentieren wie sie sind. Das Licht der Städte, das Surren in den Straßen, wenn alle beten, das Essen, den Tee und wie die Menschen sich freuen können über ein gewonnenes Fußballspiel oder wenn man versucht ihre Sprache zu sprechen. Nie habe ich mich in einem Land sicherer und willkommener gefühlt als in Ägypten.“ Jörg traf in Kairo, Alexandria, Tanta und Zagazig schwule Einheimische, die mit der Gefahr leben müssen, aufgrund ihrer Sexualität in Haft zu geraten. „Sollte man als Tourist in die Situation kommen, dass die Polizei aufgrund der Anti-Homo-Gesetze eingreift, reicht ein Anruf bei der Botschaft“, weiß Jörg und appelliert: „Wichtiger ist es jedoch, keinen Ägypter in Gefahr zu bringen. Denn dieser kann bis zu drei Jahren ins Gefängnis wandern.“ Im Schutz der Gruppenreise indes bekommen die Charter-Gäste der SS Karim vor schönster Kulisse so gut wie nichts mit von den Schattenseiten Ägyptens.
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Man soll die Nacht nicht vor dem Morgen loben.