Schnappschuss des Schreckens!
Warum “niedlich” im Journalismus nix zu suchen hat…
Familien- und Poesiealben, Soziale Netzwerke, meine Lieblings-Soap und sogar Kunstgalerien. Den perfekten Ort für possierliche Kinder- und Tierfotos gibt es zuhauf, virtuell oder im analogen Printdasein. Im Journalismus aber ist für Fotos, die entzücken sollen, kein Platz. Wieso, das versuche ich in diesem Post darzulegen. Vorab jedoch ein Geständnis: Auch ich bin ein “Schnappschuss-Sodomit”. Süße Kinder und niedliche Tierchen, diese Motive ziehen Erwachsene an wie ein gigantischer Magnet einen losen Haufen voller Kleinschrott. Denn ewig lockt das Kindchenschema. Doch auf mich wirken putzige Kinderbildchen oder im Postkartenkitsch ertränkte Katzenfotos immer häufiger geradezu abstoßend.
Oftmals offenbart sich hinter dem Motiv Schreckliches
Als Journalist betrachte ich die Umgebung distanziert, in der ich während meiner Destinations-Recherchen wandle, um auf die wirklich wichtigen Details achten zu können. Und schaut man vor Ort im Ferienparadies ohne rosa Urlaubsbrille hin, offenbart sich oftmals Schreckliches. Kinder in Armut, krank, verlassen und ausgebeutet, verschenken dort ihr Lächeln für Speiseabfälle oder frönen der Kinderarbeit. Das andere von Touristen favorisierte Motiv indes, diese süßen possierlichen Tierchen, werden gequält, verkauft, lebendig gekocht oder wie ein kaputtes Spielzeug nach dem Spaßerlebnis einfach fortgeworfen. Nun schwingen die Eindrücke von zerquetschten Feder- oder Fellknäuel oder durch harte Arbeit verhärmte Kindergesichter zunehmend mit in meinem Arbeitsalltag. Entweder beim Betrachten von Fotografien mit Kindchenschema-Effekthascherei oder, wenn ich mich anschicke, ein solches zu schießen. Dann schäme ich mich ein wenig – immer mehr.
Künftig füllt sich dieser Beitrag mit allerlei kommentierten Fotos von Kindern und Tieren. Niedlich ist das nicht…
Notiz an den Autor: Nicht vergessen, die Niedlich-Foto-Safari mit Kollegen zu erwähnen 😉