Tief durchatmen. Die Luft ist vom mediterranen Wolkenbruch rein gewaschen und das gleißende Sonnenlicht Mallorcas lugt bereits wieder forsch zwischen den sich auflösenden Wolken hervor. Claudia Rößler zündet sich nach der Landung erst einmal eine Zigarette an. Sie sieht sehr elegant dabei aus, als sie den intensiven Zug des blauen Dunstes genießt. Die waschechte Berlinerin ist eine Dame von Welt: Stets freundlich, wenn nötig auch souverän, aber immer charmant. So agierte sie über viele Jahre auch in ihrem Beruf als Flugbegleiterin für Air Berlin.
Flug über die vom Kalten Krieg unerbittlich gezogenen Grenzen hinweg
Gerade erst hat sie die Maschine verlassen, doch heute ist sie als ziviler Passagier unterwegs. Genau dreißig Jahre nach dem ersten Air-Berlin-Flug von Berlin-Tegel nach Palma, bei dem sie als Stewardess der Premieren-Crew mit an Bord war, wiederholt sie die Reise zum runden Jubiläum noch einmal. Am 28. April 1979, ging es mit einer Boeing 707 in Richtung der Baleareninsel. Air Berlin war seinerzeit als amerikanisches Unternehmen in Oregon registriert, flog aber vornehmlich Westberliner Sonnenhungrige über die vom Kalten Krieg unerbittlich gezogene Grenze hinweg – fort in den Süden. Deutschen Flugunternehmen wie der Lufthansa war der Start ab West-Berlin nicht gestattet, denn nach dem Zweiten Weltkrieg war dies ausschließlich den Siegermächten USA, Frankreich, England und – von Ost-Berlin aus – Russland vorbehalten.
Fliegen wurde für Amerikaner schon sehr viel früher zum Alltags-Geschäft
„Wir waren alle sehr aufgeregt,” erinnert sich Claudia Rößler an den Erstflug. Die Flugbegleiter rekrutierten sich aus Deutschen, Pilot und Co-Pilot waren jedoch amerikanische Staatsbürger, „die übrigens weniger kompliziert waren als die deutschen Piloten,” weiß Rößler zu berichten. Das Fliegen war für die Amerikaner schon sehr viel länger ein Alltags-Geschäft. „Das merkte man den Piloten an”, konstatiert die erfahrene Flugbegleiterin lächelnd: „Die waren einfach lockerer.” Drei Jahrzehnte sind inzwischen vergangen, die Luftfahrtbranche hat sich seitdem rasant gewandelt. An Bord der Boeing 737-800 beginnt die Crew mit dem Service-Durchgang: „Zu meiner Zeit war dieser Vorgang mit einem viel höheren Aufwand verbunden”, erinnert sich Rößler. „Wir benutzten einen Servier-Wagen, der einfach aus der Hotellerie übernommen und lediglich umgebaut wurde.” Nun überreicht ihr die Flugbegleiterin von Heute freundlich eine Pappschachtel, die sie routiniert aus dem rollenden Stahl-Kubus mit integriertem Kühlsystem zaubert und auf dem Klapptisch der Passagiere legt.
„Das Fliegen begeisterte mich bereits als Kind.”
Zum Vorschein kommt ein in einer großen Catering-Küche vorproduziertes Käse-Sandwich, welches vor Abflug fix und fertig verpackt an Bord der Maschine geschafft wurde. „Vor 30 Jahren haben wir die einzelnen Komponenten wie Butter, Aufschnitt und Extras noch umständlich in der Bord-Küche zusammengestellt”, berichtet Claudia Rößler und beißt anschließend beherzt in das Sandwich: „Schmeckt trotzdem gut!” Inzwischen hat die Maschine den deutschen Luftraum verlassen, in der Tiefe zeigen sich die schneebedeckten Alpengipfel. Solch grandiose Aussichten halten auch bei Claudia Rößler – trotz aller Routine – die Faszination für das Fliegen aufrecht: „Das Fliegen begeisterte mich bereits als Kind und daran hat sich nichts geändert. Ich wollte immer wissen, wie es wohl über den Wolken ausschaut.” Seit ihr persönlicher Traum vom Fliegen wahr wurde weiß sie: Von Oben strahlen Wolken immer in schneeweiß.
Die Uniformen wandelten sich in der Geschichte Air Berlins bislang viermal
Doch Claudia Rößler war nicht ausschließlich über den Wolken erfolgreich. Als engagierte Mitarbeiterin nahm sie auch Einfluss auf die Entwicklung der Uniformen, die sich in der Geschichte Air Berlins bislang viermal wandelten, testete das Catering, suchte Produkte für den Bord-Verkauf aus und übernahm zudem die Ausbildung des Flugbegleiter-Nachwuchses an verschiedenen Air Berlin-Stationen. Besonders in Erinnerung wird der passionierten Raucherin jedoch das verzweifelte Verhalten ihrer Leidensgenossen im Gedächtnis bleiben.
„Es ist wirklich harte körperliche Arbeit”
Das war Ende der Neunziger Jahre, als auch Air Berlin dem Druck der internationalen Öffentlichkeit nachgab und als eine der letzten europäischen Flugunternehmen das Rauchverbot im Flugzeug durchsetzte: „Die Anzahl der Menschen, die wegen der Entzugserscheinungen gegen die Bordregeln verstießen, stieg enorm an, denn Raucher sind entspannter, wenn sie rauchen dürfen”, weiß Rößler. Doch auch solche Situationen wusste die Flugbegleiterin natürlich zu meistern. „Gerade das macht den Beruf so spannend. Wir kümmern uns halt um die Sorgen der Passagiere”, versichert die charmante Lady glaubhaft. Doch sie vergisst nicht zu betonen, wie anstrengend der Job im Flieger sei. „Es ist wirklich harte körperliche Arbeit”, gibt die beim Interview 61-Jährige zu. Die Passagiere würden das aber kaum merken. „Denn schließlich sind wir auch in Stresssituationen stets freundlich. Und genau diese Berufseinstellung werde ich dem Nachwuchs weiterhin mit auf dem Weg geben”, verspricht sie.