Die schwüle Tropenluft belastet die Lungen. Bereits um 7.30 Uhr morgens heizt die Sonne Kambodschas die Läufer im Archäologischen Park von Siem Reap kräftig ein. Sie wollen nur noch ins Ziel. Bestaunende Blicke für die monumentalen Bauwerke und Statuen aus Laterit und Sandstein haben die knapp tausend Teilnehmer des Angkor Wat-Halbmarathons kaum übrig. König Jayavarman VII. ließ die lächelnden Riesen am Ende des 12. Jahrhunderts als Portal zur Siegerallee von Angkor Thom errichten. Vor einer Stunde ertönte wenige Kilometer entfernt der Startschuss vor den weltberühmten Tempelanlagen von Angkor Wat. Jetzt, da die Schwitzenden das Südtor passieren, gilt es nur noch wenige Kilometer des exakt 21,0975 Kilometer langen Rundlaufs zu bewältigen.
Gemeinsam rennen die Touristen mit Einheimischen um die Wette
Auch Opfer von Unfällen mit Landminen, die bis weit in die Neunziger Jahren besonders das Leben von Kindern bedrohten, nehmen teil: Die heute Erwachsenen fahren in kühn konstruierten Vehikeln im Rollstuhl-Korso mit. Die seit 1996 alljährlich organisierte Charity-Sportveranstaltung ist ihnen gewidmet; den Opfern des bis 1993 andauernden Bürgerkrieges. Die Erlöse zugunsten des japanischen Hilfswerks „Heart of Gold“ speisen sich jedoch vornehmlich aus den Startgebühren, die Sporttouristen aus den Wirtschaftsmächten in West und Ost entrichten. Thomas Siegmund gehört zu den besten deutschen Mitläufern. Seit 1998 nimmt der heute 50-jährige am wohltätigen Laufwettbewerb teil: „Siem Reap bestand damals überwiegend aus Bretterbuden.“
Dauerlauf am Dschungel-Tempel
Die Startgebühr für den Lauf durch das bedeutendste Unesco-Weltkulturerbe Indochinas kostete anfangs lediglich 20 US-Dollar. Für die Teilnahme am mittlerweile 20. Wettbewerb des Angkor Wat-Halbmarathons zahlen Ausländer bis zu 60 Dollar. Wer möchte, wählt für den Lauf am 8. Dezember 2019 die Zehn-, Fünf- oder die familienfreundliche Drei-Kilometer-Strecke. „Doch nur der komplette Halbmarathon führt auch am Dschungeltempel Ta Prohm vorbei – mein liebster Abschnitt“, sagt Dauerläufer Siegmund über das Areal in dem jahrhundertealte Baumriesen, tausend Jahre alte Steintempel fest umklammern.
„Hauptsache es gibt genug Wasser entlang der Strecke“
Einheimische Kinder säumen indes die Siegerallee, bieten übersüße Bananen feil, die sich manch Marathon-Tourist im nächsten Moment von frechen Äffchen stibitzten lässt. Siegmund bleibt locker: „Hauptsache es gibt genug Wasser entlang der Strecke“, die vom hinduistischen Angkor Wat ausgehend am Vishnu-Tempel Prasat Kravan, den drei Türmen von Bat Chum, den Königssee Sra Srang und dem buddhistischen Dschungeltempel Ta Prohm vorbei führt. Nach dem Hindu-Tempel Ta Keo geht es durchs Siegertor, wo die beeindruckenden Elefanten-Terrassen passiert werden. Danach führt der Rundlauf entlang des mächtigen Haupttempels von Bayon, am Südtor mündet der Streckenverlauf endlich auf die finale Siegerallee: „Es geht nicht um Spitzensport, sondern um das Erlebnis“, schwärmt Siegmund. Er schafft den kulturreichen Halbmarathon-Lauf in einer rekordverdächtigen Zeit von einer Stunde und sechzehn Minuten – und tut Gutes damit.
Der Anflug von Ehrgeiz löst sich in der Dämmerung auf
Nur wenigen Teilnehmern der athletischen Wohltätigkeitsveranstaltung ist es vergönnt aufs Gewinnertreppchen zu steigen: „Leider ist der Wettbewerb nicht in Altersklassen unterteilt“, wurmt es den Augsburger Sportler im Schatten, der von exotischen Klängen begleiteten Siegerehrung. Der Anflug von Ehrgeiz löst sich in der Dämmerung auf. Abends labt Siegmund sich an südostasiatischen Biersorten.
Abseits des Trubels von Siem Reap hört man die Zikaden fiepen
Im „Night Market“ sitzt er wie die meisten Touristen entspannt in einer der vielen Bars des boomenden Amüsier- und Einkaufsviertels von Siem Reap. Andere tauchen ihre geschundenen Füße in zahlreiche Wasser-Bassins, lassen sich von Dutzenden kleinen Fischen die Zehen und Fußsohlen kitzeln. Den freundlichen Besitzern zahlen sie ein bis zwei US-Dollar für die tierisch wohltuende, zehn Minuten andauernde Behandlung. Geschäftstüchtig seien die Kambodschaner, meint Thomas Siegmund: „Das ganze Land erlebt eine rasante Entwicklung – hin zum Positiven.“ Siegmund zahlt sein Bier mit der einheimischen Währung Diehl: „Das ist günstiger“, rechnet er noch vor. Müde vom anstrengenden Tag möchte er jetzt in sein klimatisiertes Hotelzimmer zurück und schlafen. Abseits des Trubels von Siem Reap hört man im Dschungel die Zikaden in lauer Tropennacht fiepen – unweit der antiken Tempelanlagen von Angkor Wat.
Kambodscha – “Die Tempelretter von Angkor Wat” Auslandsjournal-Report (ZDF)
Auslandsjournal (ZDF) über die Probleme von Angkor Wat in Kambodscha das berühmte Weltkulturerbe zu erhalten. “Die Tempelretter von Angkor Wat”, Film von Lennart Behnke, gezeigt im ZDF, Auslandsjournal vom 30.10.2019: “Es ist eines der großen Heiligtümer der Buddhisten: Angkor Wat in Kambodscha. Doch die 900 Jahre alte Tempelanlage droht langsam zu verfallen. Feuchtes Klima setzt dem Touristenmagneten zu. Restauratoren versuchen den Bau zu retten.” Video in ZDF-Mediathek verfügbar bis 30.10.2020: zdf.de/auslandsjournal/