Meeresrauschen, mildes Klima, Menschenlachen verliert sich in der Brise, doch Urlaubstimmung keimt kaum auf in Varosia. Am Rande der Hafenstadt Famagusta im Nordteil Zyperns blicken ausländische Touristen schaurig fasziniert auf die schweigende Skyline einer Geisterstadt. Große grün-gelbe Limonen hängen träge an den wild wuchernden Zitrusbäumen inmitten verwaister Gärten. „Es ist verboten sie zu pflücken, das Fotografieren auch“, warnt Irene Raab-Marancos und zeigt auf die bewaffneten UN-Soldaten auf den Dächern der maroden Hotelburgen. Bis zur türkischen Besetzung im Sommer 1974 ist das heutige Niemandsland ein pulsierendes Urlauberrefugium. Jetzt herrscht Agonie.
Die Nachkommen von treuen Arbeitsgefährten griechischer Bauern
Irene möchte weiter, die deutsche Ehefrau eines türkischen Zyprioten lebt seit Jahrzehnten auf der antiken Kupferinsel im östlichen Mittelmeer. Verständnis für die störrischen Konflikt-Parteien hat sie nicht: „Es wäre eine Lüge zu behaupten, sie benehmen sich wie die Esel. Denn Esel sind sehr zutraulich und freundlich“, sagt die Unternehmerin. Am nördlichen Zipfel Zyperns leben allerdings echte Esel in freier Wildbahn im Naturschutzgebiet von Karpaz. Es sind die Nachkommen von treuen Arbeitsgefährten griechischer Bauern, die von türkischen Soldaten vertrieben wurden. Die drolligen Langohren sind ein beliebtes Fotomotiv für Touristen auf dem Weg zum religiös bedeutenden griechisch-orthodoxen Apostel-Andreas-Kloster.
Melonenkerne oder Tand mit Motiven aus dem Abend- und Morgenland
Direkt unterhalb der historischen Gemäuer entspringt am Meer eine Quelle. Eine Gruppe Süddeutscher füllt das von Bruder Sacharias gesegnete Süßwasser ab. Andere kaufen am Stand von Murabeh allerlei Knabberzeugs aus Nüssen und Melonenkernen oder Tand mit Motiven aus dem Abend- und Morgenland. „Wir sind gute Freunde“, sagt der Moslem über den Griechisch-Orthodoxen Mönch und Wächter der Christlichen Stätte: „Ganz egal, ob es den Mächtigen gefällt“, versichert der Türke. Dass das Gotteshaus dringend einer Renovierung bedarf, weiß der Souvenir-Händler. Bruder Sacharias hingegen schweigt geflissentlich zur heiklen Thematik. Es geht halt um weltliche Politik, kompliziert dazu, nicht um Theologie oder menschlichen Pragmatismus.
Dank der Teilung: Die schönen Seiten jenseits des Massentourismus
„Es klingt zynisch, doch der Konflikt hat auch etwas Gutes”, erklärt Irene. Bedingt durch die Sanktionen, fliegen europäische Fluggesellschaften die Türkische Republik Nordzypern nicht an. Selbst Türkische Airlines müssen eine zeitraubende Zwischenlandung auf dem Festland einlegen, bevor die Passagiere via Istanbul zum Flughafen Ercan befördert werden dürfen. Knapp 150.000 Urlauber nehmen das jährlich auf sich und besuchen den international nicht anerkannten Marionettenstaat. „Zumeist sportliche Naturliebhaber, die Wandern und Fahrradfahren möchten, oder Kultur begeisterte, die antike Theater, die Säulen von Salamis oder die Burgen Kantara und Sankt Hilarion im Fünffingergebirge besuchen“, zählt Irene die schönen Seiten jenseits des Massentourismus’ auf.
Kontinentales Frühstück? Nein, es gibt Fladenbrot, Oliven und Ziegenkäse
Wer den Badeurlaub sucht, findet eine nahezu unberührte Idylle an den breiten Naturstränden entlang der Südküste der Karpaz-Halbinsel. Schildkröten dienen die Gestade als Brutstätte, Hotels gibt es im Naturschutzgebiet nicht. Genügsame wohnen in den Hütten von Burhans Place, wo im Abendlicht gerne mal die Esel vorbeischauen. Familien residieren weiter im Inselinneren im Arch-House: Ein ehemaliger Gutshof, wo pralle Hahnenkämme oder Johannisbrotbäume selbst im Dezember prächtig blühen. Kontinentales Frühstück? Fehlanzeige! Stattdessen serviert das freundliche Personal Oliven, geröstetes Fladenbrot und aromatischen Ziegenkäse. „Zum Glück trinken die Zyprioten Kaffee statt Chay-Tee“, freut sich die Zypern-Expertin Irene: „Ein Kaffee passt nämlich immer, da sind sich die türkischen und griechischen Inselbewohner einig.“