Türkei: Wie im Bürgerkrieg!
Istanbul: Touristen auf der Flucht und Bürger in Gefahr
Sonst flanieren Touristen durchs hippe Istanbul rund um den Taksim-Platz, heute foltern Polizisten türkische Bürger auf offener Straße, werfen Gasbomben in Krankenhäuser. Selbst das laizistisch positionierte Militär ist bereits im Konflikt involviert, um Zivilisten vor (theo)faschistisch motivierter Polizeigewalt zu schützen. Es herrschen wahrlich bürgerkriegsähnliche Zustände in Istanbul. Solidarität ist gefordert.
Freunde vor Ort: Solidarität für die Freiheit, gegen Theo-Faschismus
Meine Nichte und ein Freund berichten vor Ort erschrocken und schockiert von dramatischen Zuständen. Eigentlich wollten sie am Freitagabend in guter Urlaubsstimmung das aufregende Nachtleben in den Szene-Vierteln Ortaköy, Besiktas und Beyoglu und die sommerliche Atmosphäre auf der autofreien Promenade Istiklal Caddesi genießen. Doch stattdessen liegt bis zum heutigen Samstag der beißende Gestank giftiger Reizgase über den Taksim-Platz: “So habe ich mir den Türkei-Trip nicht vorgestellt”, postet Stefan* aus Düsseldorf via Facebook direkt aus dem Zentrum der türkischen Hauptstadt am Bosporus. Wer kann, verlässt die Stadt auf dem schnellsten Wege. Was als Protest gegen die Rodung eines Stadtparks begonnen hat, gerät zu einem Aufstand gegen Erdogans repressive Politik. Über 1000 Türken wurden seit Beginn der Ausschreitungen verhaftet, viele verletzt, doch der Aufruhr geht weiter. Das hat Gründe.
Demokratie verteidigen: Die Freiheit des einzelnen Bürgers schützen
“Dem Turbo-Kapitalismus freien Lauf lassen, aber die Freiheit des einzelnen Bürgers massiv beschränken”, zählt der Charlottenburger Berliner Deniz auf, “das lassen sich die Türken in Istanbul nicht länger bieten”, sagt der Sohn türkischer Eltern: “Wer Großstadtmenschen verbietet, dass sie in einer Wohngemeinschaft oder als unverheiratetes Paar zusammenleben, drangsaliert mündige Bürger , um die Republik umzukrempeln.” Erdogan und seine Partei-Funktionäre wollen die Kontrolle, bis in die intimsten Bereiche.” Das trifft nicht allein Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans*, oder ethnische und religiöse Minoritäten, sondern alle Türken, die sich nicht ins erzkonservative Korsett theokratischer Ideologien pressen lassen möchten. Vor allem in Istanbul, dieser faszinierenden Metropole mit freien stolzen Bürgern, möchten modern orientierte Gruppen diese Freiheit unbedingt verteidigen. Gegen das Erdogan-Regime, der diesen Brandherd am Bosporus mit stetigen Einschränkungen der Meinungsfreiheit provoziert.
Medien unter Erdogans Kontrolle: Verfälschte Berichterstattung im TV
Die Medien in der Türkei wurden indes gleichgeschaltet. “Das Fernsehen berichtet kaum über die bedrohlichen Ereignisse in Istanbul und der Hauptstadt Ankara”, beobachtet Deniz: “Die Wahrheit wird dreist verfälscht und verdreht”, sagt der 32-jährige Akademiker und fürchtet, dass dem viele, gerade auf dem Land und in Vorstädten, Glauben schenken könnten, die unbedacht auf die Parolen pro Sicherheit und Ordung vertrauen. Nicht die Bürger, die der Polizeiwillkür ausgesetzt sind und für Demokratie protestieren, gefährden die türkische Ordnung. Vielmehr sind es Erdogans Schergen selbst, indem sie die türkische Zivilgesellschaft und ihren Zusammenhalt mit entsetzlicher Brutalität gefährden.
UPDATES und mehr: Termine für solidarische Demonstrationen weltweit.