Indien erleuchtet – Karma-Yoga in Karnataka

Indien

Erleuchtung für Einsteiger

Ein nachhaltiges Yoga-Hotel: Eine Woche Sinn und Sinnlichkeit im Yoga-Camp am Om-Beach von Gokarna. Karma-Yoga ist inklusive im Swaswara-ResortText/Fotos: Robert Niedermeier

Aller Anfang ist schwer. Etwas verkrampft hockt Sarah Riches morgens um 6.25 Uhr auf der Bastmatte. Ihre Oberschenkel schmerzen im Schneidersitz, zuckend beben ihre Nasenflügel nervös, obwohl sie sich doch entspannen soll: „Höre den Wellen zu, spüre den Wind, fühle deinen Körper und – einatmen“, säuselt Yoga-Lehrer Dr. Vinod Nair mit sanfter Stimme auf dem Meditationshügel oberhalb der Steilküste am Arabischen Meer von Südwestindien. Für die Großstädterin aus London ist die meditative Aufgabe im Bundesstaat Karnataka eine echte Herausforderung. Sie soll abwechselnd nur jeweils durch eines ihrer Nasenlöcher ein- und ausatmen. Die Übung unterm Sonnendach überwacht Nair mit Argusaugen, während die Britin ihre kaum geschlossen halten kann. Immer wieder blinzelt sie der aufgehenden Sonne zu, riskiert einen Blick auf die von schwarzen Felsen, muschelweißen Sandstrand und üppigen Tropengrün umsäumte Bucht.

Yoga-Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene

Yoga-Übung: Dr. Vinod Nair hällt Balance

Dr. Vinod Nair hällt Balance

„Nein, das ist kein Problem“, lenkt der junge Yoga- und Ayurveda-Experte ein: „Die Schönheit der Natur kann man sich schwer entziehen. Doch wer sich wohl fühlt, hat bereits den ersten Schritt zur Erleuchtung vollzogen.“ Nair, ist neben Dr. Krishna Bharamappa Kutaganahalli und Frau Dr. Savita Harish, einer von drei Praxis-Trainern, die im Sinne der Ayurveda-Medizin im Swaswara-Resort für die Urlaubsgäste im Einsatz sind. Kupferrote Laterit-Ziegel bestimmen das Bild des Anwesens, welches von Palmwedeln bedeckten Tonnen- oder mehrstöckigen, tempelähnlichen Dravida-Dächern behütet, mit reicher Flora bedacht, direkt am Om-Beach in der Nähe zur kleinen Pilgerstadt Gokarna liegt. Den Namen verdankt der Strand den rundlichen Formen, die dem kleinen altgriechischen Buchstabe Omega gleichen.

Mittags-Meditation im Schatten der großen mehrstämmigen Banyan-Feige im SwaSwara-Resort in Gokarna am O-Beach

Banyan-Feige: Mittagsschläfchen oder Meditation?

Vorbildlich: Sozial, ökologisch und nachhaltig

Am Rande des Farmer-Dorfs Ashoke

Am Rande des Farmer-Dorfs Ashoke

Passenderweise erklingt der Laut „Om“ auch im Swaswara zu Anfang jeder Meditations-Sitzung als tiefes Brummen aus den Bäuchen und Kehlen seiner Gäste. Nach der Meditation steht im Swaswara einer der Yoga-Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene auf dem ganzheitlichen Tagesprogramm. Entweder im Schatten der großen mehrstämmigen Banyan-Feige, im kobaltblauen Meditationsturm oder in einer der weiteren Hallen des elf Hektar großen Anwesens. Das anschließende, wohlverdiente Frühstück besteht zum Großteil aus Früchten, Nüssen und Getreidesorten, die entweder direkt auf dem Gelände oder im nur wenigen Kilometer entfernten, im Inland liegenden Bauerndorf Ashoke prächtig gedeihen. Das Wasser, welches die Touristen verbrauchen, wird nicht etwa dem raren Grundwasser entnommen. Vielmehr verläuft ein acht Meter breiter Wassergraben entlang des exotischen Refugiums mit den insgesamt 24 im Stil der hiesigen Konkan-Region erbauten Pavillons, dem Swimming-Pool, Gemeinschaftsräumen und Gartenanlagen. Der markante Graben dient ökologisch wertvoll als Wasserspeicher, das in der sommerlichen Regenzeit als süßes Nass in Unmengen vom Himmel fällt. Kieselstein, Sand, Wasserpflanzen und zuletzt Aktivkohle sorgen indes dafür, dass das hauseigen gewonnene Nutz- und Trinkwasser selbst empfindlichen westlichen Gourmet-Gaumen bestens mundet. „Auch das gehört zum Pfad der Erleuchtung dazu“, erklärt Nair: „Die Gäste sollen sich nicht nur gesund, sondern auch mit gutem Gewissen ernähren können.“

Karma-Yoga: Gäste helfen Personal beim Bewässern

Sarah Riches beim Karma-Yoga

Sarah Riches beim Karma-Yoga

Gut fürs Karma der Gäste und Bediensteten scheint auch das soziale Engagement zu sein, welches im Swaswara, trotz luxuriösen Ambiente, allgegenwärtig ist. Das Arbeitsklima ist merklich freundlich, die Bauern bekommen gute Preise für ihre Ernten, im Städtchen Gokarna wird eine ayurvedische Klinik betrieben und das Personal überdurchschnittlich entlohnt. Karma bedeutet soviel wie Tat und beschreibt, dass alles Wirken früher oder später auf den Handelnden zurückfällt. „Deshalb ist es doch sinnvoll, Gutes zu tun“, animiert Nair und empfiehlt Karma-Yoga. Auch das ist für den Einsteiger in die Erleuchtung vor Ort möglich. Erst am Vortag sprengt Sarah aus London zusammen mit dem Gärtner die grünen Rasenflächen vor den Gästepavillons, morgen möchte sie in der Küche mit Hand anlegen und übermorgen steht Kunst auf dem Tagesplan. Dass die 30-jährige Lifestyle-Journalistin von der Themse dabei etwas über die Natur und Pflanzenwelt erfährt, Einblicke in die südindische Küche sowie über Karnatakas’ Kulturgeschichte gewinnt, gehört gleichfalls zum Swaswara-Konzept. Denn Ayurveda bedeutet mehr als wohltuende, mehrhändige sinnliche Massagen mit duftenden warmen Ölen, sondern eine komplette Lebenseinstellung: „Reinigungstechniken, fundierte Ernährungslehre, Pflanzenkunde und die Yoga-Praxis gehören dazu“, zählt Nair auf.

Sarah geht ein Licht auf, der Doktor ist stolz

die Bootsfahrt über krachende Wellen, vorbei an den Om- und Paradise-Beach zum Fischerhafen Tadadi

Rückkehr Fischerhafen Tadadi

Noch vier weitere Tage von einer knappen Woche liegen im Yoga-Camp vor Sarah: Der Besuch bei den hart arbeitenden Bauern oder die Bootsfahrt über krachende Wellen, vorbei an den Om- und Paradise-Beach zum Fischerhafen Tadadi stellen als Ausflüge in die knallharte Realität einen weiteren Schritt hin zur inneren Erleuchtung dar. „Swaswara ist sanskrit und bedeutet innere Stimme“, hat Sarah Riches gelernt. Als die brünette Britin von einem organisierten Ausflug nach Gokarna zurückkehrt, wo Mütter um etwas Essen für ihre Babys betteln und Kinder ganztags in brütender Hitze Waren feilbieten müssen, muss wohl die innere Stimme zu Sarah gesprochen haben, denn die Indien-Urlauberin hat einen Entschluss gefasst: „Ich werde zu Hause nie wieder Lebensmittel wegwerfen.“ Nair ist ein wenig stolz darauf, dass er im Swaswara wirken darf: „Das Feedback von den Gästen beweist, das wir hier mehr als Wellness-Wochen anbieten. Wir steigern die Lebensqualität. Auch von Menschen, die meinen, bereits alles zu besitzen.“ Und Sarah? Ihr ist ein Licht aufgegangen, sie hat es geschafft: Um 06.45 Uhr strömt Luft durch ihr rechtes Nasenloch und dann, beherrscht vom eigenen Willen, auf Wunsch durchs linke wieder heraus. Zumindest spürt sie es – ganz intensiv.

Blick vom Mediantaionshügel auf den OM-Beach

Blick vom Mediantaionshügel auf den OM-Beach

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Robert Niedermeier, Journalist (Reise, Lebensart (Food), Gesellschaft)
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