Nationalpark Yasuni und die Galapagos-Inseln – Gleichgewicht in Gefahr (Ecuador)

Ecuador

Gleichgewicht in Gefahr

Ecuador – Gleichgewicht in Gefahr: Tourismus, Bodenschätze und Naturreservate - diese Ressourcen bedeuten die Zukunft des südamerikanischen Landes, doch sie stehen in harter Konkurrenz zueinander. Zwei Kreuzfahrten mit Reiserobby durch zwei bedrohte ParadieseText/Fotos: Robert Niedermeier

Parc Ranger Pedro Pástor auf dem Napo-Fluss im Amazanasbecken

Pedro Pástor – Fernglas im Anschlag

Das Fernglas im Anschlag sucht Pedro Pástor nach Vögeln: Zwischen dichtem Blattbewuchs ruht eine Weißbandschwalbe, auf einem morschen Stamm späht ein Fischadler, auf einem grünen Zweig fiept ein grau-brauner Urutau und über den mehr als dreißig Meter hohen Wipfeln der Kapokbäume flattern lauthals balzend zwei Gelbscheitelamazonen. Fast 600 Vogelarten, vom Papagei und Sittich über Geier, Adler und Bussard bis hin zur Drossel und zum Kolibri, tummeln sich im Yasuni-Nationalpark.

In guter alter Tradition: Die Gier aufs schwarze Gold

Juan steuert: Anfahrt im Speedboat ab Coca

Juan steuert: Anfahrt im Speedboat ab Coca

Während die Vögel im üppigen Grün am Napo-Fluss auf Insekten lauern, nach Fischen tauchen oder sich an Blüten laben, lauscht die Gruppe von sechs Touristen im Kanu gespannt Pedros ornithologischen Erklärungen. “Hier im Amazonasbecken liegt ein Schatz verborgen”, sagt er und bedauert, dass die einmalige Vielfalt des Regenwaldes längst in Konkurrenz zu anderen Ressourcen steht. “Vor fünfhundert Jahren war es das Gold der Inkas, dem die Spanier auf der Spur waren, dann kamen die Kautschuk-Barone, und seit dem letzten Jahrhundert wächst die Gier aufs Erdöl”, zählt der zum Naturpark-Ranger ausgebildete 28-Jährige auf. Bis weit in den Regenwald von Ecuador hinein fressen sich die Ölbohrer und gefährden mit Chemikalien und dem Abfackeln von Gas, die vormals Jahrtausende lang unberührte Natur im Amazonasbecken. Und längst jagen die Großunternehmen aus China und Anderswo seltenen Erden und Edelmetallen hinterher.

Im Schlepptau des Fortschritts: Besuch beim Dschungel-Lehrer

Beiboot im Schlepptau des Flusskreuzers Manatee

Beiboot im Schlepptau des Flusskreuzers Manatee

Pedro führt seine Gäste, die auf dem mittelgroßen Flusskreuzer Manatee vier Tage den Napo hinunter- und entlang des Yasuni-Reservats wieder hinaufschippern, im Begleitkanu zur kleinen Kichwa-Schule im winzigen Dorf San Vicente. Nicht weit entfernt von der Grenze zu Peru arbeitet hier der junge Lehrer Felix Guatatoca. Zusammen mit zwei Kollegen unterrichtet der 25-Jährige 60 Kinder, die je nach Alter und Geschlecht mehr oder weniger regelmäßig spanisch, rechnen und schreiben lernen sowie Wissenswertes über die Welt jenseits der als Schatten in der Ferne auszumachenden Anden erfahren. “Eines Tages werden sie gezwungen sein, ihr altes Leben aufzugeben, das den Regeln der Natur folgt”, prophezeit der Dschungel-Lehrer, wirft einen Fußball in das Rudel junger Mädchen und Jungen und spielt zur Auflockerung mit. Bislang leben die Eltern der Schulkinder vom Anbau exotischer Früchte und Gemüsesorten wie Maniok, grünen Bananen und Dutzenden Kartoffelsorten. Andere sind Fischer und Jäger. “Und ich gehöre zu jenen, die ihnen das ausreden sollen”, wirft Felix ein.

Gut bezahlte Petrol-Dollar: Nur für Latinos, nicht für die First Nations

Lehrer Felix Guatatoca mit Schülern

Lehrer Felix Guatatoca mit Schülern

Das Ziel sei es, den Regenwald auszubeuten, um Ecuador von den gewaltigen Schuldenbergen zu befreien. Gleichzeitig sollen jedoch die letzten Naturreservate vor Brandrodungen und Wildereien der Ureinwohner streng geschützt werden. Einige der Indio-Clans haben sich der neuen Zeit angepasst, treten in den Beruf des Touristen-Guides und Parkwächters ein oder bauen ihre Dörfer eigens für Touristengruppen als schmuckes Freilichtmuseum neu auf. Arbeit auf den Ölfeldern finden sie nicht. Gut bezahlte Petrol-Jobs sichern sich die Latinos und Mestizen aus den Großstädten. “Je mehr Touristen wir für die Schönheit und Einmaligkeit der Region faszinieren können, desto mehr Bewusstsein schaffen wir dafür, diesen Schatz zu bewahren,” glaubt Pedro. Der Lehrer lächelt.

Bis ans Ende der Welt: Galapagos lockt mit hohen Gehältern

Santa Cruz

Mountain-Biking auf Santa Cruz

Auch am anderen Ende Ecuadors suchen Menschen ihr Glück. Im Pazifischen Ozean auf einer der 13 ozeanischen Vulkaninseln des Galapagos-Archipels. Auch der Touristenmagnet Galapagos lockt, trotz Sanktionen, mit guten Verdienstmöglichkeiten. Im Hafen von Puerto Baquerizo Moreno auf der Insel San Christóbal schaukeln Ausflugsboote, Jachten, Fischerboote und bis zu 70 Meter lange Kreuzfahrtschiffe in den blau glitzernden Wellen. Mittlerweile umkreisen über hundert Ausflugsboote, die vielfältigen Inseln, lassen Massen von Besuchern über Stege und Strände an Land gehen. Seelöwen bestaunen auf Santa Fe, Riesenkuppelpanzerschildkröten begaffen auf Santa Cruz und allenthalben Land- und Meeresechsen fotografieren: Das will und kann die Regierung Ecuadors den Touristen nicht untersagen.

Wenn die Touristen anlanden, spült es Geld in die Kassen

Strand von Punta Pitt auf Galapagos-Insel San Christóbal

San Christóbal: Touristen landen an

“Mein Land kann es sich nicht leisten, auf die Touristeneinnahmen zu verzichten”, sagt Carlos Palma. Eine eigene Währung hat Ecuador schon seit 2001 nicht mehr, man verdient US-Dollar: “In Guayaquil wäre ich wohl arbeitslos”, erzählt Carlos. 23 Jahre ist er jung und bestreitet seinen Lebensunterhalt als Guide auf der M/V Santa Cruz, eines von nur fünf größeren Kreuzfahrtschiffen, welche die Inseln von Galapagos anfahren dürfen. An Bord ist Platz für 100 Passagiere, die mit köstlicher ecuadorianischer Küche beköstigt und auf den Ausflügen mit Naturschauspielen beglückt werden. Etwa auf Española, wo Wasserfontänen im Druck der Brandung durch die Felsen nach oben schießen und Albatrosse erstmals in ihren jungen Leben den Flug hinaus über den Pazifik wagen. “Der Tourismus ist eine Chance zur Wahrung der Natur und eine Bedrohung zugleich”, meint Carlos, der zu den über 60 Prozent seiner Landsleute gehört, die unter 30 Jahre alt sind. “Schau, ohne Geld aus dem Tourismus könnten wir Diego nicht pflegen”, sagt der junge Mann.

Diego ist der steinalte Star einer vom Aussterben bedrohten Art

Santa Cruz: Diego ist der Star in der Zuchtstation auf dem Galapagos-Archipel

Santa Cruz: Diego ist der Star

Ein gutes Argument. Diego ist nämlich der neue Star in der Schildkrötenzuchtstation von Puerto Ayora auf Santa Cruz. Nach dem Tod von Lonely George ist die Sattelpanzerriesenschildkröte die Attraktion vor Ort. 3000 Nachfahren soll er schon haben, gilt deshalb als Abraham einer neuen Generation einer ehemals vom Aussterben bedrohten Spezies. “Ecuador bedeutet so viel wie Gleichgewicht”, erklärt Pablo. “Um dieses Gleichgewicht zu erhalten, seien Touristen ein wichtiger Faktor.” Der mehr als 90 Jahre alte Diego scheint es zu hören. Er streckt seinen langen Hals und posiert gekonnt für die Kameras der ebenso begeisterten wie spendablen Touristen. Weit weg auf dem Festland, hinter den Anden, steigen indes Dampfschaden wie Säulen aus dem Urwald in den lila leuchtenden Abendhimmel empor. Es wirkt, als atme der Regenwald noch einmal tief durch im Zwielicht der untergehenden Tropensonne.

Lila Wolken: Napo-Flussinsel aus Sedimenten am Rande des Yasuni-Nationalparks

Lila Wolken über dem Napo-Fluss

 

Fussballspielen: Manatee-Guide Pedro spielt mit

Fussballspielen: Pedro spielt mit

About Reiserobby

Robert Niedermeier, Journalist (Reise, Lebensart (Food), Gesellschaft)
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2 Responses to Nationalpark Yasuni und die Galapagos-Inseln – Gleichgewicht in Gefahr (Ecuador)

  1. Antje sagt:

    Danke für den tollen Bericht! Er zeigt einmal mehr, wie schwer es ist, die Balance zwischen Tourismus, Interessen des Landes und den Bedürfnissen der Natur zu finden.

  2. […] Füllen. Den Namen verdankt das vornehmlich in Venezuela sowie den Nachbarländern Kolumbien und Ecuador bekannte bolivarische Nationalgericht einem speziellen Ofen: Der Aripo ist ein halbrunder Tiegel […]

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