“Homosexuelle sind in Uganda willkommen”, sagt der CEO des Tourismusbüros Dr. Steven Asiimwe dem verdutzten Online-Chefredakteur der LSBT-Zeitschrift Blu ins Gesicht. Angesichts der Ermordung des ugandischen Schwulen-Aktivisten David Kato, hetzerischen Outing-Kampagnen großer Tageszeitungen sowie den homofeindlichen Ausfällen, verbalen Entgleisungen und Hass-Tiraden von Ugandas Präsidenten Yoweri Museveni, wirken die warmen Worte des Tourismusbeauftragten nicht nur für Christian Knuth wie Hohn. Der Berliner Redakteur hört noch mehr Erstaunliches.
Falschmeldungen: Ugandas Tourismus-Chef wehrt sich
“Sogar der letzte amerikanische Botschafter in Uganda war offen schwul und niemand hat ihn verletzt. Es ist sicher für Homosexuelle in Uganda,” fügt Asiimwe an und bringt seine Sicht auf die Wahrheit im Blu-Interview auf den Punkt: “Es ist nicht wahr, was über Uganda verbreitet wird. Es ist eine sehr falsche Medienkampagne, die im Speziellen durch europäische und amerikanische Medien vorangetrieben wird, besonders, was die angeblichen Morde angeht.” In der Tat konfrontiert Knuth in seinem ansonsten lobenswerten Interview den ITB-Botschafter aus Uganda mit Falschmeldungen über öffentliche Schwulen-Verbrennungen und anderen Gräueltaten, die von “Gay Star News” publiziert worden sind. Eine seriöse Quelle ist das eher neo-konservative denn liberale Haudrauf-Gaynews-Portal nicht. Gay Star News aus dem Vereinigten Königreich fiel bereits mit der Verbreitung von gefakten Schock-News aus Russland auf. Die peinliche Recherche-Panne gesteht Christian Knuth ehrlicherweise öffentlich ein. So ist noch am selben Nachmittag als “Anmerkung der Redaktion” zu lesen: “Norbert Blech von queer.de machte darauf aufmerksam, dass das Video wohl eine Fälschung sei.”
Undercover-Strategien: Menschenrechte sind kein Exportschlager
Es ist trotzdem richtig und wichtig, dass Blu zur ITB gegangen ist, um den Vertreter eines Landes, dessen Präsident kürzlich eine weitere homofeindlich motivierte Gesetzes-Verschärfung unterzeichnete, mit kritischen Fragen zu konfrontieren. Genauso korrekt sind aber auch die gewieften CEO-Antworten, obzwar sie vor Unverfrorenheit nur so zu strotzen scheinen. “Unsere Gesellschaft hat ein moralisches Problem mit Homosexualität in der Öffentlichkeit”, sagt der Top-Manager aus Uganda klipp und klar und meint: Homosexuelle Touristen können ihren Spaß in Uganda haben, sollen aber gefälligst diskret sein. Damit gibt der Werber um die Gunst von schwulen Touristen nichts anderes kund als das, was auch in Teilen Deutschlands, auf dem Balkan, in Frankreich und nach wie auch noch in Spanien gilt. Nicht anders als im Iran und anderen orientalischen Ländern wird der süßen Sünde lustvoll gefrönt, aber darüber reden, das soll bitte schön niemand dürfen. Tabu ist es auch, sich zum Schwulsein zu bekennen oder – noch schlimmer – gar als Identität parallel zur tradierten Weltanschauung etablieren zu wollen. Reise ich in solche Länder, wo Schwule im Schrank mitunter selbst Hand anlegen, um Gesetze gegen LSBTT*IQA zu beschließen? Ja, und das bislang stets ohne Probleme. Enthaltsam bin ich nicht. Ich als schwuler Mann kenne schließlich die Undercover-Strategien, weiß bestens bescheid wie ich meinen Spaß haben kann, auch wenn es niemand wissen darf. Diese “perverse Situation” (Praunheim) hat mich aber auch Folgendes gelehrt: Für eine freie, gerechte und friedliche Gesellschaft ist es eine Schande, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu tolerieren. Doch kann ich meine Werte wie billiges Huhn und Elektroschrott nach Afrika exportieren?
Das Spiel der Polit-Falken auf den Rücken der Verfolgten
Boykottaufrufe, wilde Beschimpfungen, Falschmeldungen, damit lässt sich Menschenrecht nicht erreichen oder sichern. Ich mahne zum Nachdenken und möchte mich nicht zum Werkzeug machen lassen von Leuten, denen mein Ansinnen von Schwulenbewegung wohl nur marginal entspricht. Überhaupt: Veränderungen zum Besseren in Bürgerrechtsfragen zu erreichen, ist nur innerhalb des betroffenen Landes möglich. Das lernen aktuell alle Russland-Gegner. Druck von Außen erhöht lediglich den Druck nach Innen auf die ohnehin schon drangsalierte Gruppe. Solidarität bedarf keiner Sanktionen, sondern Hilfe. Dass Homosexualität und die Durchsetzung von Menschenrechten instrumentalisiert wird, um Druck auf Staaten auszuüben, ist nicht neu. Leider dient das der Öffentlichkeit vorgebrachte hehre Anliegen allzu oft als Feigenblatt, um militärische und finanzielle Interessen auf Geheiß der manipulierten öffentlichen Meinung durchzusetzen. Bin sicherlich kein Anhänger von Verschwörungstheorien, aber Fakt ist, dass Fehlinformation zum Handwerk der internationalen Politik gehört. Andere Staaten zu diskreditieren, um eigene Interessen durchzusetzen, gehört zum Spiel der Polit-Falken. Das gilt für Russland, das der USA und auch der EU in der wirtschaftlichen Expansion und geostrategisch im Wege steht und besonders gilt das auch für Afrika – inklusive Uganda.
Feigenblatt als Alibi: Menschen gegeneinander aufhetzen
Afrika erlebt derzeit eine Neokolonisierung: Die USA und EU befinden sich im Wettstreit mit China. Wobei China die besseren Karten hat. Aus historischen Gründen. Dorthin, in den Fernen Osten, wurden nämlich keine Afrikaner als Sklaven verschleppt. Nördlich des Mittelmeers wird die afrikanische Bevölkerung als Bedrohung des westlichen Wohlstandes stigmatisiert. Europäisches Geld finanziert indes immer wieder Söldnerkommandos und verstärkt tritt die EU auch militärisch auf den Plan. Doch all diese wahrlich sehr anti-afrikanischen Maßnahmen stärken auf keinem Kontinent eine Zivilgesellschaft. Demzufolge auch nicht die Rechte von Frauen und “von der Norm abweichenden” Menschen. Vielmehr müssen wir uns im Westen unter dem Eindruck der menschenfeindlichen Vorfälle vor Augen halten, dass die meisten afrikanischen Länder stets an der Schwelle zu einem Krieg stehen. Oftmals handelt es sich um Rohstoffkriege, in denen konstruierte Konflikte zwischen den Ethnien, Kulturkreisen und Religionen als Alibi vorgetragen werden, um die Menschen gegeneinander aufzuhetzen. Es sei also zur Vorsicht aufgerufen. Propaganda hat System und führt im Gegensatz zur Information und Bildung zu nichts Gutem. Ob auf der Krim, in Venezuela oder Uganda, Fehlinformationen gehören zur Taktik, die Gegner unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Getreu dem Motto: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Misstrauen herrscht. Selbst die Umleitung von Hilfsmitteln in NGO-Menschenrechtsprojekten wird von autoritär-konservativen Staaten nicht als Hilfe, sondern als Angriff auf die Souveränität wahrgenommen. Es schadet nicht, Fakten aus der Perspektive der vermeintlichen Gegner zu beleuchten. Im Gegenteil: Es bringt Licht in die Ecken, wo man den Schmutz gerne bewusst übersieht.
Auch ohne Falschmeldungen ist es schlimm genug in Afrika
In Anbetracht von rassistischen Kommentaren in den “Sozialen Medien” zu den Horror-Meldungen aus Uganda ist es wichtig, dass wir uns nicht verirren im berechtigten Drang nach Gerechtigkeit. Unrecht schafft kein Recht. Wir LGBT, hier in Europa sollten nicht im Gekeife über “Primaten” und “Wilde” einstimmen, wenn wir etwas zum Guten verändern möchten. Demokratie und Menschenrecht fördern geht anders. Norbert Blech merkte in meinem Facebook-Thread zum Interview-Post an: “David Kato stimmt, Outing-Kampagnen stimmen, Gesetzesverschärfung stimmt. Es ist schlimm genug.” Und der schwule Queer.de-Redakteur hat recht. Machen wir es bitte nicht noch schlimmer.