Alle Jahre wieder ist es so weit. Ich habe Geburtstag, oder es ist Weihnachten. Traditionell ist dies ein Anlaß, zu dem die Menschen, allen voran Partner und Innen auf die Idee kommen, daß eine Konzertkarte von der eigenen Lieblingsband das passende Geschenk ist, damit der andere diese Leidenschaft mit einem teilt, oder zumindest sich irgendwie dazu verhalten muss. In diesem Jahr schenkte meine Partnerin mir eine Eintrittskarte zum U2 Konzert am 01.09. in der Mercedes-Benz-Arena. U2 gehört mit zu den Bands, von denen ich eigentlich noch nie irgend ein Album gekauft, ausgeliehen, aktiv gehört oder sonstwie konsumiert hätte. Wobei, da gibt es eine Ausnahme, diese eine Single aus dem Jahre 1988, deren B-Seite ich komplett vergessen habe – scheint jedenfalls damals nicht auf stürmische Begeisterung bei mir gestoßen zu sein.
Jedenfalls kam dieser Tag, an dem ich mich diesem Geschenk nur noch durch vortäuschen einer Krankheit, Straftat oder sonstigen Katastrophen entziehen konnte. Die Anreise aus dem fernen Charlottenburg war minutiös geplant, da das Konzert so spät enden würde, wurden auf dem Hinweg zum Savignyplatz kurzerhand zwei Portionen Sommerrollen gekauft, die dann am anderen Ende des S-Bahnrings verspeist werden sollten. Dies geschah dann an der Eastside Gallery mit Blick auf die Oberbaumbrücke und dem schwimmenden Eastern Comfort Hotel. Danach ging es dann weiter zur Arena, von deren zu erwartenden Einlaßkontrollen wir von unseren Begleitern gewarnt wurden. Die Schlangen waren zu diesem Zeitpunkt, 16:30 allerdings so kurz, daß wir uns in Windeseile auf der Terasse befanden. Auf den Monitoren lief Werbung für die nächste MixedMartialArts-Veranstaltung in dieser Arena, das Merchandising war vorwiegend nahe des Eigangs im Untergeschoß, oben erwartete einem Systemgastronomie vom Allerbilligsten. 6 Euro für einen 0,2 Prosecco aus einer Aluminium Flasche – Glas wäre zu gefährlich.
“Ich bin hier nur der Frauen wegen”
In der Lobby liefen als Amnesty Internationalmitarbeiter erkennbare Unterschriftensammler und solche von Bonobos hauseigener Organisation “One” herum. Einen Augenblick fragte ich mich, ob ich angesprochen auf eine Unterschrift sagen sollte “One ist das nich dieser fantastische Sender, auf dem ich alle verpassten Folgen von Extra3 noch mal schauen kann?” oder ihnen erzähle, daß mich die Musik einen Scheiß interessiert, ich lediglich der Menschen- und Frauenrechte wegen an der Veranstaltung teilnehme – oder es verkürzen werde zu “Ich bin hier nur der Frauen wegen”.
Bono ist auch zuzutrauen, daß er es genauso affig findet
Als dann das Konzert verspätet losging und die Band die Bühne betrat, stand plötzlich das gesamte Publikum auf. Ich entschloß mich sitzen zu bleiben – es war ja schließlich eine LED Leinwand an der Decke angebracht und dachte mir “Solidarität mit denen im Rolstuhl!”. Ich hätte ein solches Verhalten eines deutschen Publikums wohl eher mit einem Auftritt von Höcke, Gauland und Weidel assoziiert. Mach ich halt eben das Gegenteil von dem was Alle (mit-)machen – werde ja noch sehen, was ich von meinem Verhalten hinterher habe. Bono ist auch zuzutrauen, daß er es genauso affig findet, er jedoch zu sehr Gentleman ist, diese Erkenntnis in einem Interview rauszuhauen.
Gewisse Dünnheit der Stimme machte sich bemerkbar…
Die ersten drei ein halb Lieder plätscherten behäbig durch die ausverkaufte Arena. Dann begann sich plötzlich eine gewisse Dünnheit bei seiner Stimme bemerkbar zu machen. Als er dann nach dem fünften Lied sagte, er müsste sich zurückziehen um zu versuchen ein Problem mit seiner Stimme zu beheben, dachte ich nur “Take your Time!” Nach einer weiteren Stunde wurde dann klar, daß der Veranstalter keine Erkenntnisse über die Gesundheit seiner Stimmbänder gewinnen konnte, jedoch nicht in der Lage war, das Geld an die Besucher zurückzuzahlen. Uns wurde mitgeteilt, daß das Konzert abgebrochen wird, wir jedoch in den sozialen Medien die Ohren offen halten sollten, um auf einen Ersatztermin vorbereitet zu sein. Alles in allem eine toller Abend, ich habe keine Stunde damit verbracht, monotone Gitarrensequenzen zu hören und Videoinstalationen zu analysieren. Und am nächsten Tag war ich ausgeschlafen, obwohl wir danach noch essen waren.