Was füher okay war, soll auch im Jahre 2019 ideologisches Programm sein müssen, meint wohl der Rechtsaußen-Redakteur Krautkrämer und liest via Twitter seiner nicht minder reaktionären Follower-Horde genüsslich aus einem rassistischen Traktat des Nachrichtenmagazins “Der Spiegel” aus dem Jahr 1964 vor, um mal eben, ganz nebenbei, Multikulti* zu veunglimpfen.
„Braune Flut“ – Der Spiegel vor 50 Jahren über Multikulti in französischen Freibädern: „Den Pariserinnen wird das Plätschern vergällt. Wo ein vereinzelter Bikini im Frei-Bassin paddelt, ist er bald von bräunlichen Schwimmern eingekreist.“
Früher war alles besser. Sogar Der Spiegel.
— Brigadist (@mardus67) July 19, 2019
Wahr ist, der Archiv-Fund ist 55 Jahre alt und in der Tat ein wirklich widerlich sexistisch-rassistischer Text, angefüllt mit exotisierenden Klischees und erotisierender Verhamlosung sexualisierter Gewalt gegen Frauen in übelst chauvinistischer Ausprägung. Zur Wahrheit gehört auch, dass der Spiegel damals zugleich homophob, frauenfeindlich und ausländerfeindlich gewesen ist und sich wie selbstverständlich für die autogerechte Stadt aussprach. Und die Redakteure haben in den Redaktionsräumen Filterzigaretten gepafft, fiese Frauenwitze gerissen und dabei Schnaps gesoffen. Wie auch der Rest der damals sehr rückständigen maskulistisch gestörten Mehrheitsgesellschaft. Alles obsolet, heute teils ganz korrekt verboten sogar, denn die Gesellschaft hat sich während der vergangenen sechs Dekaden verändert, nämlich modernisiert, reformiert und emanzipiert.
Damals als Homophobie für Homosexuelle Knast bedeutete
Wir normaldenkenden Deutschen haben uns demokratisch ein besseres Deutschland geschaffen. Wir leben zufrieden in einer sozial-liberal funktionierenden Multikulti-Gesellschaft, wo Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und Hintergrund in einer wohlhabenden Gesellschaft mit gemeinsamen Grundwerten friedlich zusammen leben. Homosexuelle dürfen gleichgeschlechtlich heiraten, Deutsche können türkische Eltern haben (Rechte nennen diese Bundesbürger rassistisch belegt “Passdeutsche”), Frauen dürfen sich ohne die Erlaubnis des männlichen Gatten einen Job suchen und selbstbestimmt ihren Körper verwalten. Was Nazis u.a. Rechtsradikalen durchweg stört, ist die Modernisierung der Gesellschaft hin zu einer besseren, liberaleren, menschenfreundlicheren und offenen Gesellschaft.
Problematisierung von Zuwanderung. Reaktionär wie schon vor 55 Jahren
Besonders traurig stimmt es dem reaktionären Typus, nicht mehr frank und frei im Rassismus suhlen zu dürfen, ohne dafür von der Mehrheitsgesellschaft als reaktionärer Rassist geächtet zu werden. Ekelhafd ist Krautkrämers Gleichsetzung von Multikulti mit sexuellen Übergriffen, die der Junge Welt-Redakteur in seinem Tweet vollzieht. Im rassistisch formulierten Artikel schreibt der Spiegel schließlich gar nicht, wie von Krautkrämer fälschlich behauptet, “über Multikulti”, sondern über die Problematisierung von Zuwanderung. Nicht anders als es Neonazis oder sogenannte Neurechte es heute noch tun. 55 Jahre später. Wer will, kann sich selbst durch den tiefbraun verschmutzten Twitter-Thread vom reaktionären Felix Krautkrämer wühlen. Dort wird klar: Reaktionäre Rassisten vermissen Rassismus schmerzlich. Grund genug, dem afd-nahen Schmutzrand der Gesellschaft den Diskurs zu verweigern. Gegenüber der Intoleranz darf man als Demokrat nicht tolerant sein. Rassismus versenken. Rassisten verfemen, ist 2019 okay. Gut so. Danke BRD, danke bundesdeutsches Grundgesetz. Danke, Antifa.