Auch schwule Mitarbeiter betroffen: PRINZ ohne Print und die Scheinarbeitslosen

Prinz ohne Print

Das Ende eines alt gedienten Stadtmagazins

Hab’ heute Mittag aktuell für die Siegessäule online einen Bericht zum Aus der regulären (Top Guide bleibt als Print-Produkt erhalten) PRINZ im Print-Format verfasst. Als ich auf die Nachricht aus Hamburg gewartet habe, die wie seit Dienstag erwartet das Ende bestätigt, fühlte ich mich wie ein Geier, der in der Printwüste auf Aas lauert… Natürlich bin ich als Journalist zur Distanzhaltung verpflichtet, weshalb vieles, das ich auch aus eigener Betroffenheit denke, nicht ins Format einer Meldung passt. Doch auf meinem Blog nehme ich es mir einfach mal heraus, auch persönliche Töne anzuschlagen.
Auch ich war als Autor und Redakteur für PRINZ und die verbleibende PRINZ-Marke “Top Guide” tätig. Zum einen erstellte ich 2011 für den Jalag-Verlag den ersten PRINZ Top Guide Mallorca, und damit das erste Auslandsprojekt der Stadtillustrierten und belieferte die Berliner Redaktion u.a. für die Rubrik “Bekenntnisse”. Zum anderen lese ich PRINZ bereits seit Jahrzehnten als Privatmensch, kaufte sie regelmäßig am Kiosk in Habinghorst, an der Tanke in Castrop oder stibitzte sie von einem Freund in Rauxel.

In guter, fast subversiver Erinnerung

Als schwuler Mann möchte ich gerne darauf hinweisen, dass die PRINZ als durchaus schwulenfreundliches Medium zu bezeichnen ist. Die Redaktion schloss das Thema “Schwul” nicht aus, hatte keine Angst, mit “Gay-Issues” Leser zu verprellen und lesbische oder schwule Mitarbeiter wurden nicht nur toleriert, sondern akzeptiert. Vom Aus für die Print-Prinz sind aktuell auch schwule und lesbische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und höchstwahrscheinlich auch weitere LGBT-Personen betroffen.

Die “Freien” sind die Hauptverlierer

Bangen um die berufliche Zukunft müssen die festen Mitarbeiter nun allesamt – egal welchen Geschlechts. Besonders hart trifft es jedoch die vielen freien Mitarbeiter. Bei PRINZ stehen die zirka 50 bis 60 Festangestellten noch bis März 2013 unter Vertrag und können mehrheitlich mit einer Abfindung rechnen. Danach bleibt wohl nur noch PRINZ-Verlagsleiter Kusche in Lohn und Brot. Ab sofort sind jedoch alle anderen, sprich: die “Freien Mitarbeiter” obsolet: Nicht nur Journalisten, sondern Grafiker/Layouter u.s.w. Viele von ihnen haben allerdings bis dato nahezu ausschließlich für PRINZ gearbeitet. Die sind als ehemalige “Selbständige” jetzt quasi Scheinarbeitslos. Ich finde ja, nicht nur Print ist in der Krise oder gar tot in vielen Segmenten, wenn wir über die Beschäftigungsbedingungen in der gesamten Medienbranche und darüber hinaus nachdenken, kommen wir doch nur zu einem Schluss: Längst im Eimer, ist auch die schöne Idee von einer Sozialen Marktwirtschaft.

Tschüssi, mein lieber PRINZ!

Was bleibt? Es ist echt schade, besonders tut es mir für die netten Mitarbeiter leid, mit denen ich persönlich zusammenarbeiten durfte. Danke an Euch alle, die ich im Ruhrgebiet, Düsseldorf und Köln als Konkurrenten in meiner Zeit als smag-Chefredakteur beäugte, als PR-obby für illustre Partymacher und Clubbetreiber am Telefon belaberte, mit denen ich in Berlin die Neue Mitte in Theaterhäusern vor die Kamera zerrte, knackig bis beknackte Kommentare oder “Bekenntnisse” auf offener Straße in Neukölln entlockte und als Mallorca-Reporter und Redaktionsleiter in Palma, Duisburg, Hamburg und Berlin einen Auslands-Topguide gemeinsam gebar. Danke schön. Viele unter Euch haben ohne viel Aufsehen zu betreiben, mit ihrer Arbeit im Verlag und innerhalb der Redaktion einen wichtigen Beitrag geleistet – auch für die Schwule/Lesbische Sache. Das ist Fakt.

Tschüssi, mein lieber PRINZ!

P.S. Kann mich noch sehr gut an die frühen Neunziger Jahre erinnern: Ohne PRINZ hätte ich es noch schwerer gehabt, offen und frei mit meinem Schwulsein umzugehen. Als Privatperson und Journalist.

About Reiserobby

Robert Niedermeier, Journalist (Reise, Lebensart (Food), Gesellschaft)
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2 Responses to Auch schwule Mitarbeiter betroffen: PRINZ ohne Print und die Scheinarbeitslosen

  1. ina sagt:

    ….guter Nachruf, auch ich verbinde viel Gutes mit der Prinz und ich denke nun an die Mitarbeiter der Prinz, mit denen ich jahrelang hervorragend zuasmmengearbeitet habe. Schade….auch das mit dem Insolvenzverfahren der FR !

  2. Reiserobby sagt:

    nach der FR, würgt das DuMont-Debakel nun wohl auch die Berliner Zeitung ab… http://www.taz.de/Insolvenz-der-Frankfurter-Rundschau/%21105555/

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