„All alone I have cried silent tears full of pride“, singt Irene Cara in dem von Disco-Pionier Giorgio Moroder komponierten Welthit „Flashdance – What a Feeling“ – der Titelsong des Films mit der damals erst 19-jährigen Jennifer Beals als Alex Owens. Aus der in allen Tanzszene gedoubelten Jung-Darstellerin ist inzwischen eine lesbische Alpha-Frau geworden – als Hauptdarstellerin des TV-Hits „The L Word“. Alle haben damals mitgesungen, queer durch alle Schichten, Szenen und Subkluturen, und identifizierten sich mit der jungen Alex Owens im Arbeiter-Outfit, die vor der Kulisse der Stahl- und Kohlestadt Pittsburgh ihren Traum von einer professionellen Tanzkarriere wahr macht. Ein modernes Märchen.
Panorama wie im Kinofilm Flashdance am Drehort in Pittsburgh
Pittsburgh-Besucher haben die Chance sich auf Spurensuche am Originalschauplatz von Flashdance zu begeben, können heute genau an jenem Ort stehen, an dem die Filmfigur Alex so niedlich mit einem kleinen Kätzchen spielt bevor sie auf ihrem Fahrrad weiterfährt zur Arbeit. Damals wie heute bestimmt roter Backstein die Architektur im Strip District von Pittsburgh (Praxis-Tipp: Bitte ESTA für die Einreise in den USA online beantragen). Spazieren Touristen auf die St. Stanislaus-Kirche zu und überqueren die Straße mit den vielen Läden, eröffnet sich das nahezu gleiche Panorama auf die Skyline in Downtown wie im Kinofilm. Denn „Flashdance“ beginnt mit einer Szene, in der Jennifer Beals am Allegheny Krankenhaus vorbei, die James Street entlang und den Hochhäusern von Pittsburgh (US-Staat Pennsylvania) entgegenradelt. „In einer Welt, erschaffen aus Stahl und Stein“, heißt es im Titelsong, und die poetische Zeile beschreibt treffend, dass Steinkohle den Aufstieg Pittsburghs zur Stahlstadt befeuerte.
„In einer Welt, erschaffen aus Stahl und Stein“ – klingt nach Pittsburgh
Noch vor dem Kinostart in Deutschland im Herbst 1983 schloss das letzte Stahlwerk am Ohio River, und die 300.000-Einwohnerstadt erlebt ihren Niedergang während Jennifer Beals, dank ihres Hollywood-Debüts, zum leuchtenden Hollywood-Star der Filmbranche emporsteigt. Inzwischen hat Pittsburgh den Strukturwandel weg von der dreckigen Industriestadt und hin zur Kulturstadt gut überstanden. Schwarzer Ruß schwängert die Luft schon lange nicht mehr. Vielmehr steigt der Duft von frisch gebackener Pizza in die Nasen der Strip-Discrict-Anwohner und die Auslagen der Geschäfte sind mit exotischen Früchten reichlich befüllt. Finanz- und Gesundheitsdienstleistungsunternehmen und Robotikfirmen haben die Luftverschmutzer abgelöst. Die Zentrale des weltbekannten Ketchup-Herstellers Heinz steht nach wie vor im Stadtzentrum, doch die im Film für Alex so wichtige Tanz-Universität suchen Flashdance-Fans vergebens; die hat es nämlich in Wirklichkeit nie gegeben, sondern ist aus dramaturgischen Gründen rein fiktional im Filmgeschehen eingebaut worden.
Neighbourhood im Wandel der Zeit: Kreative, Gays und Karlovich
Mit dem typisch amerikanischen gelben Taxi geht es im echten Leben weiter Richtung Central Northside, vorbei an einem hundert Jahre alten Industriegebäude, in dem 1994 das Andy Warhol Museum eröffnete. Auch das Mitte der 70er-Jahre im damals verrufenen Stadtteil Central Northside errichtete Mattress Factory Museum lockt Besucher an. Es liegt in dem Quartier, wo in „Flashdance“ Alex Owens’ Wohnhaus steht. Der als Arbeitersiedlung errichtete Stadtteil befand sich bereits in den 80er-Jahre im Wandel. Je mehr Arbeiter ihre Jobs in der Schwerindustrie verloren hatten, desto billiger wurden die Mieten. „Danach haben sich junge Kreative dort angesiedelt“, erklärt Peter J. Karlovich. „Viele von ihnen waren lesbisch oder schwul“, weiß der gesellige Pittsburgher, der mit einer Software-Firma zum Multimillionär avanciert ist. Der Schatzmeister der hiesigen Pride- Organisation lobt den Strukturwandel, den Pittsburgh in den letzten 30 Jahren bewältigen konnte. „Heute finden Studienabgänger aus New York oder Philadelphia Jobs im Kultursektor von Pittsburgh, das stärkt auch die Gay-Community meiner Heimatstadt“, sagt er beim Dinner im Restaurant Grand Councourse. Inmitten der historischen Bahnhofshalle/Halle der Square Station zeigt er mir genau den Restaurantstuhl, auf dem die unbedarfte Alex in einer Flashdance-Szene damit scheitert, einen Hummer zu verspeisen. Auch Peter liebt den Film – und vor allem seien Titelsong, der in den drei Gay-Lokalen, die er sein eigen nennt, regelmäßig als Evergreen gespielt wird.
Der tanzende Verkehrspolizist von der Liberty Avenue
Für den Song heimste Disco-Produzent Giorgio Moroder übrigens einen Musik-Oscar ein. Jennifer Beals zeigt indes in dem als abendfüllendes Musikvideo inszenierten Spielfilm von künstlichem Arbeiterschweiß benetzte Haut. Künstlerisch wertvoll war das nicht unbedingt, aber erfolgreich: Flashdance geriet weltweit zum Kassenschlager. Das Fabrik-Gebäude auf der Liberty Street 25 in dem die Szenen gedreht worden sind, in der Alex alias Jennifer Beals so sexy schwitzt, steht noch immer, wurde aber längst zu einem Luxus-Apartment-Komplex im heutigen In-Viertel Strip District umfunktioniert. Am Rande von Downtown überquert indes das Taxi die Kreuzung von Liberty Avenue und Wood Street, wo in einer Filmszene der tanzende Verkehrspolizist gute Laune im Kinosaal verbreitete. Der 2010 im Alter von 92 Jahren verstorbene Polizist Vic Cianca war übrigens ein echtes pittsburgher Original und zum Zeitpunkt des „Flashdance“-Drehs tatsächlich für seine außergewöhnlichen Tanzeinlagen überregional bekannt.
Duquesne-Schienenseilbahn am anderen Ufer des Monongahela Rivers
Margarete Sommerer kannte ihn sogar persönlich. Die betagte Lady ist so etwas wie das Maskottchen der Duquesne-Schienenseilbahn am anderen Ufer desMonongahela Rivers. Wie damals Alex, fahren Touristen mit der Schienenseilbahn, blicken hinab auf die Stadt, wo die beiden Flüsse in den mächtigen Ohio münden. Margarete, die im Souvenirshop an der Bahnstation arbeitet, zeigt gerne die alten Fotografien, die Pittsburgh als kohlenschwarzen Industriemoloch zeigen: „Je nach Windrichtung war es auch tagsüber stockfinster“, erinnert sie sich und verrät ein Flashdance-Geheimnis. Eine Szene könne gar nicht auf der nördlichen Sixth Bridge gedreht worden sein, wie es der Filmschnitt suggeriert. „Die Sonne geht schließlich im Osten auf, deshalb wurde hier unten am Monongahela auf der Smithfield-Street-Brücke gefilmt.“ Margarete lächelt und schwelgt in Erinnerungen.