IDAHOT: Antidiskriminierungsarbeit – Kritik an Maneo Kiss in

Dokumentation

Ausgrenzung im Alltag

Wider der Ignoranz - ‪‎Rassismus‬, Homophobie‬ und das ausgrenzende Konzept des Coming outs. ‪Stellungnahme  GLADT e.V.  zum Kiss In von Maneo am 17. Mai Internationaler Tag gegen Homophobie und Trans*phobie. Ich erlaube mir, die kritische Stellungnahme zum meiner Meinung nach sublim rassistischen "Maneo-Kiss In" zu dokumentieren. "Kreuzberg und Wedding sind keine Kurzzeit-Bühne für Maneos einstündige Inszenierung von farbenfroher Weltoffenheit"Text: Gladt e.V./ Foto: Robert Niedermeier

+++Wichtige Durchsage +++ Eilmeldung +++Küssen in Berlin-Kreuzberg bleibt erlaubt, obwohl Jedermann – von Kraushaar bis Berger – die GLADT-Stellungnahme missverstehen möchte. +++Die Gladt-Stellungnahme ist keine Attacke auf die Bestrebungen nach mehr Sichtbarkeit, sondern kritisiert die paternalistische, selbstzufriedene Arroganz derjenigen, die sich gar keine Sorgen um die eigene “Sichtbarkeit” in ihrem Umfeld machen müssen. +++ Worüber sich der GLADT e.V wirklich beschwert.+++ Der GlADT e.V. behauptet nicht, das ein Kiss in, die Kieze Kreuzberg oder Wedding unsicherer mache, oder dort keine Kiss ins erwünscht seien. Der im Gegensatz zu MANEO, nicht in Schöneberg, sondern vor Ort in Kreuzberg tätige Verein konstatiert: “Im Gegenteil gefährdet die Maneo-Aktion die Beziehungsarbeit zu unseren Nachbar*innen und stellt sie auf die Probe.” ++++ Es geht nicht ums Küssen oder nicht küssen, um Sichtbarkeit oder Verstecken, sondern um Konfrontationskurs, Symbolismus und Aktionismus versus Konfliktlösung, Inklusion und Interaktion.+++Meine Meinung: Kiss-Ins sind ein durchaus probates Mittel symbolisch schwule* Sichtbarkeit zu propagieren. Die GLADT-Stellungnahme spiegelt die besondere Situation von nichtweißen LGBT wider. Dafür Verständnis aufzubringen, bedarf Empathie und den Willen, eine dem Menschen zugewandte Politik zu unterstützen, die nicht spaltet, sondern solidarisiert.+++

“Das Konzept des Kiss-Ins ist fragwürdig.”

>Anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie und Trans*phobie am 17. Mai veranstaltet das schwule Anti-Gewalt-Projekt Maneo Kiss-Ins in Berlin. Diese sollen nach eigener Aussage zu einem  „bunteren und weltoffenerem Berlin“ beitragen. Dazu wurden Orte (z.B. Kottbusser Tor, Kreuzberg; Sparplatz, Wedding) ausgesucht, in deren näherer Umgebung es mehrfach zu Übergriffen auf LSBTI* Personen kam. Schöne Idee. In der Theorie. Aber zu kurz gedacht.

Ganz praktisch bereitet uns diese Aktion Bauchschmerzen, und zwar aus mehreren Gründen. Vor allem in Kreuzberg, wo viele verschiedene Communities und Szenen zusammenfließen und dadurch einen sehr vielfältigen und spezifischen Sozialraum bilden, mutet die Maneo-Aktion geradezu grotesk an: Eine weiße, cis-männlich-dominierte, schwule Organisation wirft hier einen Hilfeballon für eine bessere Welt ab, ohne mitzudenken, dass hier lokale Aktivist*innen schon seit Jahren communitybasierte Antidiskriminierungsarbeit leisten. Diese wurden nicht einmal eingeladen. Das nicht nur arrogant, sondern vor allem respektlos! Wir kritisieren Maneos Vorgehen! Wir leben in einer Gesellschaft, die rassistisch, diskriminierend, homophob und trans*diskriminierend ist, und wir verurteilen Gewalt und Diskriminierung zutiefst.

Wir empfinden es als Schlag ins Gesicht, dass sich Maneo auf Übergriffe an Orten konzentriert, an denen wir durch Kontaktaufnahme, Zuhören, Fragen beantworten, Fragen stellen, sich hineinversetzten, mal lachen und mal streiten in den letzten Jahren so viel erreicht haben. Wir leben in Kreuzberg und Wedding, dies ist keine Kurzzeit-Bühne für Maneos einstündige Inszenierung von farbenfroher Weltoffenheit. Im Gegenteil gefährdet die Maneo-Aktion die Beziehungsarbeit zu unseren Nachbar*innen und stellt sie auf die Probe.

Das Konzept des Kiss-Ins ist fragwürdig. Angeblich ist es eine Veranstaltung, die vor allem von Menschen besucht werden kann, die geoutet sind.  Das Konzept des Outings ist ein sehr weißes und westliches. Als sei es die Krönung der Emanzipation, wenn alle wissen, wen Mensch liebt und begehrt. Die menschliche Identität strukturiert sich nicht nur nach der sexuellen Orientierung und/oder der Geschlechtsidentität. Viele von uns machen in dieser Gesellschaft Erfahrungen, die uns z.B. auf Grund von Rassismus ‚Anders‘ fühlen lassen, oft noch bevor wir ein klares Bild davon haben, wen wir begehren bzw. ob wir das uns zugeordnete Geschlecht als passend empfinden.  Auf Grund dieser Erfahrungen sind Menschen mit Rassismuserfahrungen anders auf Familie und Community angewiesen als weiße Menschen. Es ist also auch hier sehr fraglich, was ein Kiss-In an einem Ort wie zum Beispiel dem Kottbusser Tor bewirken soll.

Wir sprechen uns gegen das Ausblenden unserer Antidiskriminierungsarbeit in unseren Lebensräumen aus!

Für mehr Sichtbarkeit und einen respektvolleren Umgang aller queerer Szenen miteinander!< (Zitatende)

Infos zum GLADT e.V.

Meine Meinung zu Maneo, überspitzt formuliert: White Pride marschiert mal wieder! GLADT möchte niemandem das Küssen verbieten, wer das behauptet, verleumdet den Verein, der sehr viel Konstruktives zur Akzeptanz-Arbeit beiträgt und es sich deshalb sehr wohl erlauben darf, den politisch tatsächlich eher inhaltsleeren Aktionismus der bereits rassistisch aufgefallenen “Maneo-Truppe” zu kritisieren. Kiss-Ins sind ein durchaus probates Mittel symbolisch schwule* Sichtbarkeit zu propagieren. Die GLADT-Stellungnahme spiegelt die besondere Situation von nichtweißen LGBT wider. Dafür Verständnis aufzubringen, bedarf Empathie und den Willen, eine dem Menschen zugewandte Politik zu unterstützen. Rassismus-Leugner sind Rassisten. Teşekkür GLADT.

Wichtige Anmerkung meinerseits zu den Begriffen “Coming out” und “Outing”: >Dieser Begriff hat ebenfalls diverse Sinnerweiterungen durchlaufen: Outen kann man sich heutzutage auch als Vegetarier. In Bezug auf Lesben und Schwule gibt es da allerdings feine Unterschiede, selbst wenn die Begriffe Coming-out und Outing häufig als Synonym verwendet werden. Das Coming-out bezeichnet einen persönlichen, selbstbestimmten Prozess: Jemand klärt seine Angehörigen, seine Umgebung (oder aber die Öffentlichkeit) über seine sexuelle Orientierung auf. Von „Outing“ dagegen spricht man, wenn eine fremde Person die sexuelle Orientierung eines Menschen öffentlich macht. Ein für die betroffene Person wesentlicher Unterschied. Richtig: „Hape Kerkeling und Alfred Biolek wurden von Rosa von Praunheim geoutet.“; „Klaus Wowereit hatte sein öffentliches Coming-out auf dem SPD-Parteitag.“< (Quelle: BLSJ – Schöner schreiben…)

Was ist “weiß”? Zum Einlesen ein historischer Blick, am Beispiel der schwarzen Lesben- und Schwulen-Bewegung in den USA. Oder googelt “Queer of Color Critique” und “Critical Whiteness“. Als “schwarz” fassen Queer- und Rassismus-Theoretiker alle Menschen zusammen, die nicht dem angelsächsischem und christlich-mitteleuropäischen Kulturkreis entstammen. Dazu zählen Orientalen oder Asiaten, Menschen aus Afrika, die nativen Bürger Nordamerikas, “Indios” und “Latinos”. Das Konzept aus queer-politischer Perspektive von “Weißen” zu sprechen, ist keinesfalls ein rassistisches, sondern ganz klar ein strikt antirassistisches. Einfach erklärt: Selbstverständlich ist Rassismus eine braune Ideologie. Es gibt nur eine Menschenrasse – den Menschen, dennoch gibt es Rassisten. Dem Gladt e.V. Rassismus vorzuwerfen, weil sie von “Weißen” sprechen ist dumm und ignorant, weil der Ausdruck keinesfalls rassistisch belegt ist, sondern zur Verdeutlichung der privilegierten Stellung der “Weißen” und damit emanzipatorischen und antirassistischen Zielen dient.

Der White Gay Pride-Mob tanzt derweil

Das Konzept des Coming-outs ist nach Ansicht von GLADT e.V. etwas “sehr Weißes und Westliches”.

Posted by queer.de on Mittwoch, 13. Mai 2015

About Reiserobby

Robert Niedermeier, Journalist (Reise, Lebensart (Food), Gesellschaft)
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One Response to IDAHOT: Antidiskriminierungsarbeit – Kritik an Maneo Kiss in

  1. cyberyork@gmx.de sagt:

    Lieber Reiserobby,

    vielen Dank für die ausführliche (und nebenbei lehrreiche) Erklärung der Pressemitteilung von GLADT.

    Sie ist meiner Meinung nach leider ein Beispiel dafür, wie Experten mit den besten Absichten selbst für ihre Zielgruppe – zunächst – unverständlich schreiben können.

    Soweit ich die Kritik jetzt verstanden habe, richtet sie sich gegen Kiss-Ins in Kreuzberg und Wedding, weil mit der Aktion unterstellt wird, dort gäbe es besonderen Nachholbedarf in Sachen LGBTIQ-Sichtbarkeit. Das empfindet GLADT, der dort seit Jahren tätig ist, vollkommen zu Recht als arrogant und respektlos. Wenn ich die Vorgeschichte richtig verstanden habe, ist MANEO bisher dort wenig bis gar nicht in Erscheinung getreten, oder?

    Dass das Konzept des Coming-Outs (nicht des Outings) ein sehr “weißes” und “westliches”, also ein Konzept sei, dass in erster Linie dem angelsächsischem und christlich-mitteleuropäischen Kulturkreis offen stehe, halte ich jedoch in dieser Absolutheit für unzutreffend. Es ist natürlich besonders schwierig, seine sexuelle Orientierung anderen Menschen bekannt zu machen, wenn man in einer tendenziell (noch) homophoben Umgebung aufwächst und von dieser aufgrund von Rassismus in der Gesellschaft zudem noch abhängig ist.
    Aber an dieser Stelle geht GLADT – wenn ich den Satz richtig verstanden habe – davon aus, dass “weiße” Menschen in solchen Abhängigkeitsverhältnisse und Strukturen nicht leben und daher den Luxus und die Möglichkeit eines Coming Out zu haben – was sich die “schwarzen” Menschen nicht leisten können. Und GLADT stellt die These auf, dass “schwarze” Menschen – im Gegensatz zu “weißen” Menschen aufgrund von Rassismus-Erfahrungen eine zusätzliche Erfahrung des Anders-Seins machen würde.
    Ich wünschte, unsere Gesellschaft wäre bereits so weit. Aber sie ist es nicht. Allein der Umstand, dass über die Hälfte der LGBTIQ-Menschen am Arbeitsplatz aus Sorge um Diskriminierung ungeoutet sind, zeigt, dass die Bemerkung in ihrer Pauschalheit unzutreffend ist. Natürlich fällt “weißen” Menschen in einer “weißen” Gesellschaft vieles leichter. Aber das gilt eben nur solange, wie diese Menschen auch den übrigen “Standards” der Gesellschaft entsprechend. Und es gibt genügend andere Merkmale (z.B. Behinderung), die Menschen dazu bringen, sich erst “anders” zu fühlen, bevor sie “ein klares Bild davon haben, wen [sie] begehren bzw. ob [sie] das [sie] zugeordnete Geschlecht als passend empfinden”. Und im Endeffekt ebenso anders auf Familie und Community angewiesen sind als die Menschen, die diese besonderen Merkmale eben nicht teilen.
    Ich finde daher, dieser Kritikpunkt von GLADT greift – so allgemein wie er postuliert wird – zu kurz.

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