Die sogenannte Islamkritik spaltet Liberale und stärkt den Islamismus

Islamismus

Die Heinis von der Heimatfront

David Berger, Clemens Heini, Henryk Broder, Stefan Laurin u.a.: Macht meinen muslimischen Kumpel nicht an. Hört auf zu hetzen und zu spalten, besinnt euch auf die europäischen Grundwerte wie Toleranz, Meinungs- und Religionsfreiheit, respektiert das Grundgesetz und beruft euch nicht aufs Judentum, um gegen Moslems zu hetzen. Wer versucht, Menschengruppen gegeneinander aufzuhetzen, macht sich zum Verbündeten der IS und ist mein Gegner. Text: Robert Niedermeier, Fotos: Reiserobby.de, Männer-PR, privat

Der Krieg gegen den Islam ist entbrannt. Der internationale islamistische Terror sei der größte Feind, rauscht es nach dem Charlie Hebdo-Attentat durch den Blätterwald. Ein sofortiges Verbot des muslimischen Glaubens fordern durchgeknallte Trolle in den Foren der etablierten Presseorgane. Passentzug auf Verdacht, Einsatz der Armee im Inland – alles ist möglich. Der rechtskonservative Ex-Männer-Chefredakteur Dr. David Berger, der bereits davon fiebert, dass alle Schwule von Islamisten abgeschlachtet werden, erhebt derweil ausgerechnet die Rechtsaußen-CDU-Politikerin und Pegida-Versteherin Erika Steinbach zu seinem Vorbild im Kampf gegen den “Siegeszug” der Islamisten. Rechtsliberale, sogenannte Islamkritiker wie der Hetzer Henryk Broder oder der vehement gegen Gläubige polemisierende Ruhrbarone-Macher Stefan Laurin basteln emsig am Feindbild Islam und agieren als „Trittbrettfahrer der Angst” schüren die Phobie vor einer muslimischen Kultur” und Islamisierung des Abendlandes. Monokausale Scheinargumentation stellt Fakten auf den Kopf. Islamkritik ist zur puren Provokation verkommen. Paranoia macht sich breit. Die Bedrohung durch den Islamismus genutzt, um gegen Muslime Stimmung zu machen.

Apropos Heimatfront: Armee im Inland und Passentzug – so etwas machen Diktaturen

„Das Kleid des Humanismus’ ist aus feinster Seide gewebt. Wer es sich im Zorn überstreift, wird es zerreißen.” (Honke Rambow, 09.01.2015)

Produkt eines in in seiner Konsequenz zutiefst grausamen Zeitgeists

"Mach meinen Kumpel nicht an." Gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus

“Mach meinen Kumpel nicht an.”

Der schrill-verquere Tenor: Ohne den Islam gäbe es keinen Terror und den Welt-Frieden im Kapitalismus für lau: „Wir müssen erkennen, dass die heutigen Islamisten von einer politischen Ideologie angetrieben werden, einer Ideologie, die in den grundlegenden Texten des Islam eingebettet ist. Wir können nicht länger so tun, als sei es möglich, die Taten zu trennen von den Idealen, die sie inspiriert haben“, schreibt eine sogenannte Islamkritikerin namens Ayaan Hirsi Ali unter virtuellem Beifall  oben beschriebener Claqueure in der „Welt“ und lügt dort online wie gedruckt. Denn erstens leugnet niemand, dass sich islamistische Terroristen und Diktaturen scheinheilig auf den Koran berufen und zweitens beruft der Islamismus sich auf keine Ideologie. Vielmehr ist der Islamismus selbst bereits eine faschistoide Ideologie, die sich auf Koranstellen bezieht. Diesen Umstand ignorierend, weigern sich die sogenannten Islamkritiker hatnäckig den kleinen aber eminent wichtigen Unterschied zwischen Ursache und Wirkung wahrzunehmen. Die Religion einer Person verübt keinen Terroranschlag, es ist der Mensch, der Terror religiös rechtfertigt oder auch scharf und im tiefen Entsetzen über den Missbrauch seiner Religion verurteilt. Religiöse und nichtreligiöse Bürger sind gleichermaßen besorgt, organisieren Mahnwachen für die Presse- und Meinungsfreiheit oder fordern die Anwendung oder Verschärfung von Anti-Terrormaßnahmen. Dennoch: Plumpe Hetze feiert fröhliche Urständ.

Querfront vom Berliner Schwulenbezirk bis zum Dresdener Abendspaziergang

Davut vor der Pauluskirche

Davut vor der Pauluskirche

Als intellektueller Erguss getarnte Hasspredigten gegen die Islamisierung Europas erfreuten sich bereits vor dem Terroranschlag von Paris hoher Popularität. Das entspricht dem in seiner Konsequenz zutiefst grausamen neoliberalen Zeitgeist. Auf Gewinnermodus getrimmt verunglimpfen Kommentatoren den Dialog mit religiösen Minderheiten als Feigheit vor dem Feind. Die Cliveden-Clique wird bemüht, um ‘Islamversteher’ der Appeasementpolitik zu bezichtigen, wie einst beim britischen Premierminister Neville Chamberlain gegenüber Adolf Hitler. Angst vor dem Islam gilt als moralischer Gradmesser und Charakterstärke, wer den Islam nicht als die größte Gefahr der Moderne wahrnimmt, dem unterstellen pseudo-liberale Heißsporne einen Hang zur Unterwerfung und Liebäugeleien mit autoritären Herrschaftsformen. Bizarr: Gleichzeitig preisen dieselben die NSA für ihre Kompetenz in Sachen Überwachung. Merkels, vom ehemaligen Bundespräsidenten Wulff zitierte Aussage, ‘der Islam gehört zu Deutschland’ jazzen die selbsternannten Freiheitskämpfer zur Staatskrise hoch. Eine Querfront vom Berliner Schwulenbezirk Schöneberg bis hin zum Dresdener Abendspaziergang stellt sich vereint gegen den Euro-Islam und ballert wortreich drauf los. Der Pulverdampf riecht bitter und legt sich als brauner Schleier auf den erstickten Diskurs.

Gesine Schwan: “Was früher das Judentum war, ist jetzt der Islam.”

Eisverkäufer an der Promenade Istiklal Caddesi Foto: Robert Niedermeier

Eisverkäufer an der Promenade Istiklal Caddesi

Islamophob geschwängerte Kriegsrhetorik bahnt sich seit 2001 selbst von liberalen Zungen getragen ihren Weg in die Mitte der Gesellschaft, attackiert die Zivilisation, die überhaupt erst durch Toleranz und Ratio ermöglicht worden ist. Doch wer sich dem verbalen Säbelrasseln der Verrückten mit Toleranz entgegenstellt, wird medial als Feind der Meinungsfreiheit und Kollaborateur von Terroristen gebrandmarkt. Das ist Gesine Schwan widerfahren: „Wenn Sie irgendwo in eine Debatte kommen über Religion und Politik, geht es sofort gegen den Islam. Das, was früher das Judentum war, ist jetzt der Islam. Das ist eine gezielte Vorurteilsbereitschaft”, sagte im Dezember die Professorin und SPD-Mitglied in der ARD-Talkshow „Jauch“ – in Bezug auf die rechtsbraune Pegida-Bewegung. Das konnte der Chefrhetoriker der Islamhasser und ausgewiesener Pegidaversteher Broder nicht auf sich sitzen lassen und polterte tags darauf im bürgerlich getünchtem Kampfblatt der Moslemgegnerinnen ungehemmt los und schwafelte in der „Welt“ über die Verharmlosung des Holocausts.

Hochverrat in Talkshow: Die Humanistin nahm Moslems in Schutz

Männeraufmacher "Debatte" Islam September 2013

Männeraufmacher “Debatte” Islam September 2013

Dabei hat Schwan nicht einmal deutsche Juden mit deutschen Moslems gleichgesetzt. Sie hat lediglich die antisemitische Vorurteilsbereitschaft mit der von Islamhassern verglichen, um die von Pegida ausgehende gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu kritisieren. Gesine Schwan hat jedoch aus Sicht Broders einen schweren Fehler begangen. Die Humanistin wagte es, Moslems vor dem Zorn des Volkes in Schutz zu nehmen. In Zeiten, in denen der Mob die Moslems als die größte Gefahr des Weltfriedens anprangert, sind Schwans Worte zwar bitter nötig, erwünscht sind sie aber nicht. Ein gutes Wort für die Moslems einzulegen wird von Schreibtischtätern wie Broder als Hochverrat an westlichen Ideale diskreditiert. Broder agitiert gegen die „erfolglose Kandidatin für das Amt des Bundespräsidentin 2004 und 2009” und schwadroniert über 1,6 Milliarden Moslems, die weltweit den neuen Nationalsozialismus darstellten und rückt Schwan in seiner Tirade in die unmittelbare Nähe von Islamisten. Dass Schwan bei Jauch über die muslimische Minderheit in Deutschland sprach, die sich, nebenbei bemerkt, selbst bis in konservative Kreise hinein, mehrheitlich für eine Öffnung der Zivilehe für Lesben und Schwule ausspricht, ficht einem Demagogen wie Broder nicht an. Tatsachen interessieren Fanatiker eben nicht sonderlich.

Demagogen suhlen sich im Blut von IS-Opfern – der reinen Hetze willen

Die sogenannten Islamkritiker wie der Mörder Breivik, der Demagoge Broder und Hetzer Berger suhlen sich derweil im Blut der Opfer von barbarische Taten von IS-Faschisten, nutzen die erschreckenden Horror-Nachrichten als Angelpunkt ihrer Hetzkampagne gegen Migranten in Europa. Unverfroren ruft der Männer-Chefredakteur via Facebook dazu auf, sich den rassistichen Pegida-Demos gegen die "Islamisierung des Abendlandes" anzuschließen

Pro Pegida-Aktivist Dr. David Berger peitscht die Stimmung gegen Muslime auf.

Fakt ist: Der Terror der IS in Syrien und Irak hat nichts mit der Lebenswirklichkeit der Muslime in Deutschland und Europa gemein, unterscheidet sich vollkommen von den Strukturen der Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria und ist auch nicht mit den Taliban in Afghanistan gleichzusetzen. Der IS ist ein Resultat der vom Westen zerstörten Staatsstrukturen, die Taliban sind eine Nachgeburt von Ronald Reagans Kampf gegen den Kommunismus und in Nigeria hat die Öl-Gier der Industriesaaten den schrecklichen Terror der Killer-Armee von Boko Haram gefüttert. Der von Langbärten zentral gesteuerte internationale islamistische Terror ist ein Gespenst, das der Westen seit 2001 mit Milliarden teuren Militär-„Kampagnen“ nachjagt und im Verlauf dessen eine Spur muslimischen Blutes nach sich zog. Hat das den Terror etwa eingedämmt? Nein, aber mit den Leichen hunderttausender Märtyrer wurde der Terror befeuert und islamistische Propaganda betrieben. Die sogenannten Islamkritiker wie der Mörder Breivik, der Demagoge Broder und Pro-Pegida-Aktivist Dr. David Berger suhlen sich derweil im Blut der Opfer von barbarischen Taten von IS-Faschisten, nutzen die erschreckenden Horror-Nachrichten als Angelpunkt ihrer Hetzkampagne gegen Migranten in Europa. Unverfroren ruft der Männer-Chefredakteur via Facebook dazu auf, gemeinsame Sache mit den rassistischen Pegida-Demonstranten gegen die “Islamisierung des Abendlandes” zu machen.

Hand in Hand: Muslim-Gegnerin nutzt IS-Propaganda zur Häme

Wie wir leben wollen: Antworten stehen nicht im Koran oder Bibel

Das Taj Mahal in Agra (Uttar Pradesh), Foto: Robert Niedermeier

Das Taj Mahal in Agra (Uttar Pradesh)

Ja aber, mag die selbsternannte Islamismus-Expertin nun einwenden, der Islam gilt doch allen islamistischen Mördern als Quelle ihres Zorns. Doch wer diesen Irrglauben als Legitimation herzieht, Moslems in Übersee zu töten und hierzulande den Koran verbieten zu wollen, weil schließlich auch Hitlers „Mein Kampf“ verboten sei (So einen Unfug lassen naziaffine Islamhasser im SoMe vom Stapel), mangelt es zu einem an Menschlichkeit und verkennt zum anderen, dass auch die christliche Bibel, die selben Grausamkeiten und Höllenschlund- und Rache-Szenarien beinhaltet wie der harsch kritisierte Koran „Konsequent blenden diese sogenannten “Islamkritiker” in ihrer ‘Argumentation’ aus, dass die gleichen problematische Bibelstellen zitiert werden können wie Koranstellen und dass diese Bibelstellen bis hin in das Neue Testament reichen. Noch heute werden auch im Namen des Christentums durch christliche Terroristen schwere Gewalttaten verübt, genannt sei als ein Beispiel an die Lord Resistance Army (LRA) in Uganda, die bereits 30000 Kinder entführt, fast zwei Millionen Menschen vertrieben und 100000 direkt getötet hat. Diese Morde, Verstümmelungen und Vergewaltigungen sollen dem Aufbau eines christlichen Staates unter den zehn Geboten dienen,“ schreibt Seksan Ammawat auf seiner Internetseite Menschenrechte.eu und hat vollkommen recht. Die Antworten auf Fragen des Zusammenlebens von Menschen mit unterschiedlichen Weltanschauungen in einer modernen Gesellschaft finden sich also nicht in der Theologie, sondern Politik und Soziologie. Das sollten auch glühende Atheisten, sogenannte Islamkritiker und neoliberale Appeasement-Politik-Verächter einsehen. Anstatt das reale Umfeld und die sozialen Umstände aufs Korn zu nehmen, die eine Gesellschaft ihren Minoritäten im Hier und Jetzt bietet, ergehen sich Polit-Scharlatane in einer wahnhaften Koran-Exegese. Wollen wir unsere Demokratie verteidigen, müssen wir unseren Rechtsstaat schützen. Das funktioniert nicht mit Anfeindungen gegen und Ausgrenzung von gläubigen Moslems, wir müssen unsere Werte wie Meinungs- und Religionsfreiheit, Toleranz und den sozialen Frieden wahren. Und wir, dass sind Atheisten, Moslems, Christen, Juden und alle anderen demokratisch denkenden Menschen in Europa. „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden”, steht im bundesdeutschen Grundgesetz. Terroristische Attacken sind kein Grund, daran etwas zu ändern, sondern müssen Ansporn sein, Rassismus, soziale Ausgrenzung und Gewalt gleichermaßen zu bekämpfen.

Postkoloniale Peitschenhiebe für liberalen Blogger dank UK?

Women are persons, Bild: Robert Niedermeier

Women are persons, Bild: Robert Niedermeier

Wir in Europa und der westlichen Welt haben es nicht der christlichen Religion zu verdanken, in stabilen Demokratien leben zu dürfen. Während wir uns seit der Neuzeit mühevoll vom Joch des Klerus befreit und bürgerliche, säkulare Gesellschaften erstritten haben – krasse Kriege inklusive führten, kam es zum europäischen Kolonialismus, demokratisch war dieser imperialistische Feldzug im Namen Christi und des Profits nicht, Algerien und andere über Jahrhunderte unterjochten Länder, die mehrheitlich von Muslimen bewohnt sind, haben daran bis heute zu knabbern. Über Generationen hinweg bieten die die postkolonialen Verhältnisse einen Nährboden für antidemokratische, gewaltbereite Elemente. Der politische Islam (Islamismus) hätte unter besseren, sprich: demokratischen statt feudalen Bedingungen (siehe Iran), wohl kaum seine verheerenden Auswirkungen entfalten können. Es waren die britischen Kolonialherren, welche die extremistischen Wahhabiten in Saudi-Arabien zu absoluten Monarchen krönten. Ohne diese von Nato-Strategen euphemistisch als Stabilisatoren der Region gehätschelten islamofaschistischen Feudalherren wären Peitschenhiebe für liberale Blogger dort schlicht undenkbar. Andersherum: Ginge es nach den Christen, stünde es in den USA nach wie vor sehr schlecht um die Situation meiner lesbischen und schwulen Schwestern. Die geballte Straßenpower der französischen Homoehe- und deutschen Bildungsplangegner trägt „christlicher” Enthusiasmus aus der rechten Ecke in die Mitte der Gesellschaft. Ein Fachmann wie Berger sollte das wissen. In seinen chauvinistischen Traktaten unterschlägt der schwuljournalistische Quereinsteiger diese reell existierende Gefährdung von Bürgerrechten aus taktischem Kalkül. Mehr noch, der ehemalige Lehrer und katholische Lektor fundamentalistischer Schriften in päpstlichen Diensten propagiert die Überlegenheit des katholischen Glaubens. Doch merke: Nicht der Islam, das Juden- oder Christentum sind das Grundübel. Totalitarismus, Militarismus, Rassismus, Sexismus und Chauvinismus gilt es einzudämmen. Das würde die Menschheit voran bringen. Das politische Umfeld bestimmt über die Situation von Individuen – auf Gedeih und Verderb .

Islamisierung? Nein, das Abendland hat ein Rassismus-Problem

beim Andreas-Kloster in Norz-Zypern Murabeh (links im Bild) ist der Chef seines Tinnef-Lädchens beim Andreas-Kloster in Norz-Zypern Klosterstand

Murabeh (links im Bild) ist der Chef seines Nuss- und Tinnef-Lädchens

Solange wir bei „uns“ in Europa die Rechtsstaatlichkeit, unsere Demokratie, den Pluralismus und sozialen Frieden wahren, dürfte auch der totalitäre, militäristiche, sexistische und sehr wohl auch rassistische Islamismus keinen Nährboden zum Gedeihen finden. Eine Islamisierung des Abendlandes existiert nicht. Sehr wohl grassiert im von Pegida beschworenen Abendland ein gewaltiges Rassismus-Problem. Menschen mit arabisch oder türkisch klingenden Namen werden auf dem Arbeitsmarkt bei gleicher Qualifikation gegenüber anderen benachteiligt, verdienen weniger, leben häufiger in sozialen Brennpunkten und fallen öfters Gewalttaten zum Opfer. Ausgrenzung gefährdet den sozialen Frieden. Fanatiker nutzen gesellschaftliche Defizite für ihre infame Propaganda.

Aufklärung erreicht nur die, die wir integrieren, niemals die Verfemten

Junger Sikh am Bahnhof im Stadtteil Santa Cruz

Junger Sikh am Bahnhof im Stadtteil Santa Cruz

Gesellschaftliche Schieflagen traten auch im Osten Deutschlands in Bezug auf die Neonaziszene zutage. Der Spiegel beschrieb eine gewaltbereite, für Extremismus anfällige, mehrheitlich jugendliche Klientel als „Überschussjugend“, die es im Kapitalismus zu beklagen gäbe und zog eine logische Parallele zwischen weißen „biodeutschen“ Neonazi-Banden und arabisch stämmigen Flüchtlingskindern. Beide Gruppen sind gefährdet, dem Extremismus anheim fielen. Die einen werden im von Arbeits- und Perspektivlosigkeit geprägten Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg von Deutschisten und die anderen im berühmt-berüchtigten Berliner Kiez Neukölln von Islamisten rekrutiert. Das ist Soziologie und nicht Theologie, Rassismus oder Moralismus. Deshalb läuft auch die sogenannte und oftmals rassistisch unterlegte Islamkritik ins Leere, wenn es um die Suche nach Gegenmaßnahmen zur „internationalen islamistischen Terrorgefahr“ geht. Nicht den Koran gilt es zu kritisieren, sondern vorrangig die Situation, in der Menschen leben müssen. Aufklärung und Religionskritik erreicht nur die, die wir integrieren, niemals die Verfemten. Ich setze jedenfalls auf Optimismus statt Angst und weiß, dass Moslem und Demokrat sein sich keinesfalls ausschließen. Wir müssen uns gegen islamistisch motivierten Terror wehren, aber nicht mit Gegengewalt (polizeiliche Prävention und Schutzmaßnahmen sind für mich Notwehr, keine „Gegengewalt“), sondern mit den Mitteln unseres Rechtsstaates. Justiz und Polizei sind für die Bekämpfung von Kriminalität verantwortlich. Wir Bürger können unseren Rechtsstaat nur dann nachhaltig verteidigen, wenn wir selbst unsere Werte und den Frieden wahren. Vor allem müssen wir unser Europa von Morgen zusammen gestalten. Und wir, das sind Christen, Moslems und Juden und alle anderen mehr oder weniger und eben gar nicht religiösen Menschen. Demokratien messen sich daran, wie sich der Umgang mit Minoritäten im Alltag gestaltet.

Der perfide Plan der Terroristen, sie wollen Zwietracht säen.”

Pride Parade Tel Aviv 2008: Schwule israelische Männer beim größten Christopher Street-Event Israels

Gut gebaut beim Pride Parade posieren israelische Besucher in Tel Aviv 2008 für Journalisten Robert Niedermeier

Die sogenannte Islamkritik, die unbedingt von seriöser Religionskritik unterschieden gehört, unterschlägt die wahren Parameter der Zivilgesellschaft, die nicht im Glauben, sondern in der Soziologie, Geschichte, Realpolitik sowie im alltäglichen Leben einer multikulturellen Gemeinschaft zu finden sind. Polemiken gegen ‘Kulturmarxisten’, ‘Multikultispinnern’, ‘Gutmenschen’, ‘Islamverstehern’,  ‘Islamismus-Leugnern” klären nicht auf, sondern heizen die Stimmung auf, polarisieren der Klickraten und Provokation wegen. Infam wird es, wenn politische Kritik, etwa die einer lesbischen und jüdischen Soziologin und Politikwissenschaftlerin wie Judith Butler an der Situation von arabischen Israelis in Israel als proislamistisch denunziert wird. Statt der Wissenschaft und Konfliktlösung zu dienen, zieht etwa der Ruhrbaron-Gastautor Professor Clemens Heni willkürliche Frontlinien, wo Dialog von Nöten wäre. Und Dr. David Berger lässt es sich nicht nehmen, den schwulen Comic-Künstler Ralf König als Kronzeugen für seine apokalyptischen Fantasien über einen „Siegeszug” der Islamisten zu instrumentalisieren und attestiert Pegida-Gegnern in einem öffentlichen FB-Ost ein „Vollkoma“. Mit dieser Form der politischen Auseinandersetzung lassen sich die die Fans Broders vor dem Karren perfider Menschenhasser spannen. Ich hoffe, sie haben von dem mutigen Berliner aus Tel Aviv gehört, der nach einem Angriff auf seine Person in einem SZ-Interview sagt: „Juden zu hassen ist aus der Mode gekommen, also beruft man sich auf das Judentum und nimmt sich jetzt die Muslime vor.“ Der Zitierte wurde Opfer von antisemitisch motivierter Gewalt, die von arabisch und türkisch sprechenden Männern ausging. Trotzdem ist der Israeli besonnen und mahnt zum Frieden, wehrt sich gegen Versuche von Islamhassern und Rassisten, seine Gewalterfahrung für ihren Groll zu missbrauchen. Nehmt euch Shahak Shapira zum Vorbild, agiert human, nicht menschenverachtend. „Diese Tat ist ein Verrat am islamischen Glauben“, sagte Aiman Mazyek am Tag des Anschlages von Paris, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland fügte hinzu: „Dennoch ist zu befürchten, dass der Terror von Paris den anti-islamischen Strömungen in Deutschland Auftrieb gibt. Das ist ja der perfide Plan der Terroristen, sie wollen Zwietracht säen.“ Clemens Heini, Stefan Laurin, David Berger und Henryk Broder – ihr macht euch mit euren publizierten Fehlanalysen zum Handlanger der IS.

P.S. Der Islam gehöre nicht zu Deutschland, geifern die sogenannten Islamkritiker. Bleibt die Frage, welche Art von Endlösung den Apologeten der Ausmerzung vorschwebt?

————————————————-Erbauliches————————————————
Doch gar keine Kritik ist voll bescheuert

„Jede Zivilisation misst sich daran, wie sie mit ihren Minderheiten umgeht“ (Mahatma Gandhi)

>Charlie Hebdo habe “alle Religionen durch den Kakao gezogen”, wirft Ulrich Wickert ein. Der ehemalige Frankreich-Korrespondent fällt an diesem Abend nur selten auf – doch mit seinen Beiträgen bringt er die Diskussion voran. Ihm ist es zu verdanken, dass gegen Ende noch über mögliche Erklärungen für die Radikalisierung der jungen Franzosen gesprochen wird. Es sind die zehn stärksten Minuten des Abends. Die Männer seien vermutlich nicht aufgrund ihrer Religion zu Attentätern geworden, sagt Wickert, “sondern aufgrund ihrer sozialen Situation”. (SZ über Jauch-Talk, 12.01.2015) 

>Im Moment ist uns also der Islam der Feind Nummer eins. Schauen wir uns an, wer das predigt und welches persönliche Manko dahintersteht. Morgen können es Christen sein, Rothaarige, Männer oder Frauen, Homosexuelle oder Buddhisten. Es wird sich mit geschickter Taktik und Hemmungslosigkeit, mit ein wenig Rhetorik und dem Willen zur Macht immer eine Gefolgschaft für die wirrsten Thesen finden lassen.< (Sibylle Berg, Spon)

“Die Art und Weise, wie wir Europäer mit dem Terror umgegangen sind, die Solidarität, die Besonnenheit und das Mitgefühl über alle Grenzen zwischen Ländern, Religionen oder Völker hinweg: All das macht mir in den letzten Tagen mehr Hoffnung als Angst.” (Raed Saleh im Tagesspiegel)

„Die «Charlie Hebdo»-Karikaturisten starben für die Meinungsfreiheit. Und für ihre schlechtesten Arbeiten.“ (Tagesanzeiger)

„Auch der kaltblütige Mord macht ihre (Charlie Hebdo) Arbeit in diesem einen Aspekt nicht besser. Ein erheblicher Teil der antiislamischen Karikaturen waren rassistischer, sexistischer und menschenverachtender Schrott, der hierzulande zu Recht skandalisiert worden wäre.“ (Heise.de)

Die Deutschtümelei wurde im Einmachglas DDR konserviert…

About Reiserobby

Robert Niedermeier, Journalist (Reise, Lebensart (Food), Gesellschaft)
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5 Responses to Die sogenannte Islamkritik spaltet Liberale und stärkt den Islamismus

  1. Lutz sagt:

    Ja, Robert – ein Riesenthema. Kleines Problem dabei: Man wertet die Islam-“Kritiker” sehr schnell ziemlich auf, wenn man sich so einlässt. Ich habe das mit Broder neulich auch gemacht, aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob es das wert war.

  2. Oli sagt:

    Ein schönes Pladoyer, mit dem ich im Grundtenor einverstanden bin. Trotzdem finde ich es problematisch, dass diese Debatte viel zu emotional geführt wird. Im Prinzip gibt es ja nur zwei Positionen: Entweder findet man am Islam alles super oder man ist ein Pegida-Anhänger. Es wäre wünschenswert wenn hier etwas stärker unterschieden werden würde. Meiner Meinung kann man durchaus für ein offenes und nichtrassistisches Europa sein und trotzdem feststellen, dass der Koran problematische Gewalt verherrlischende Textstellen hat.

  3. Richard Müller sagt:

    Musste Judith Butler unbedingt hier reingenommen werden? Nach ihren positiven Aussagen über die Hamas hat sie sich doch selbst desavouiert…

  4. Reiserobby sagt:

    Mir sind keinerlei positiven Aussagen der Philosophin zur Hamas bekannt.
    “Im Versuch eine Denunziation wie diese zu begreifen, finden sich eigentlich keine Gründe, aus denen hervorginge, warum Einspruch gegen mich erhoben wird. Deswegen bin ich auch nicht in der Lage, auf direktem Wege zu antworten. Eine Debatte oder ein Streitgespräch setzt voraus, dass wir Gründe nennen, und zwar so gut, wie wir nur können – selbst wenn wir wütend sind. Aber diese Denunziation, so glaube ich, will zu verstehen geben, dass es keine Debatte gibt und das Thema auch nicht debattierbar ist. Man könnte mir widersprechen, auch auf heftige Weise, und dabei immer noch eine Debatte mit mir führen. Dazu gehörte allerdings das Geben und Nehmen von Gründen.
    Judith Butler: „In Deutschland gibt es besondere Gründe, Israel-Kritikern zu misstrauen.“
    http://www.fr-online.de/kultur/judith-butler-fangen-wir-an–miteinander-zu-sprechen,1472786,17019694.html

    “Diese Antisemitismus-Vorwürfe sind verleumderisch und haltlos” ‘Die jüdische Philosophin Judith Butler, Anwärterin auf den Adorno-Preis, wird bezichtigt, sie unterstütze Hamas und Hisbollah. Hier antwortet sie ihren Kritikern.’ http://www.zeit.de/kultur/literatur/2012-08/judith-butler-kritik-israel-antwort

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